Nahrungsmittelpreise zu hoch Neuer Zündstoff in Nahost
28.04.2008, 14:58 UhrIn der arabischen Welt, wo Korruption, Vetternwirtschaft und staatliche Willkür vielerorts den Alltag bestimmen, schlucken viele Menschen täglich ihre Wut über die herrschenden Verhältnisse hinunter. Wenn dann auch noch massive materielle Probleme hinzukommen, wird der Druck einfach zu hoch. Die aufgestaute Wut bricht sich Bahn. Deshalb sind die steigenden Weltmarktpreise für Nahrungsmittel auch etwas, was die arabischen Herrscher mit großer Sorge beobachten. Mit Exportverboten, der Aufhebung von Zöllen und der staatlichen Regelmentierung von Lebensmittelpreisen versuchen sie seit einigen Wochen, drohende Brotunruhen, Arbeiterdemonstrationen und Bauernproteste zu verhindern.
In Syrien wurde vergangene Woche der Export von Tomaten verboten, nachdem der Kilopreis auf den Märkten den Rekordwert von 40 Pfund (rund 50 Cent) erreicht hatte. Gleichzeitig hob der syrische Staat den Preis, den er den Bauern für ihren Weizen zahlt, um 50 Prozent an. Aus Ägypten darf kein Reis mehr ausgeführt werden. Jordanische Importeure müssen für gefrorenes Fleisch und Tiefkühlgeflügel keinen Zoll mehr bezahlen. Der Export von Eiern aus Jordanien wurde per Kabinettsentscheid für mehrere Monate gestoppt, nachdem die Preise so gestiegen waren, dass sich viele einkommensschwache Familien kaum noch Eier leisten konnten.
Syrien handelt sinnvoll
Die UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) hält die von Syrien praktizierte Weitergabe der höheren Weltmarktpreise an die Bauern für eine sinnvolle Maßnahme. "Exportverbote sind dagegen in der Regel kein probates Mittel, weil sie die Handelsströme stören, was dann neue Preissteigerungen nach sich zieht", erklärt ein FAO- Experte.
Auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten, für die meisten ausländischen Besucher eine Welt der pompösen Hotels und blitzblank geschrubbten Einkaufszentren, sind die steigenden Nahrungsmittelpreise ein großes Problem. Denn für das riesige Heer der Niedriglohn-Arbeiter, die Dubais Konsumtempel bauen und instand halten, ist es nur dann attraktiv, mehrere Jahre in engen Unterkünften auszuharren, wenn sie ihre Lebenshaltungskosten so niedrig halten können, dass am Schluss genug Geld für eine bessere Zukunft in der Heimat übrigbleibt.
Da das Wirtschaftsministerium in Abu Dhabi Subventionen aber um jeden Preis vermeiden will, nimmt es kurzerhand die Händler in die Pflicht. Mit sanftem Druck zwang das Ministerium kürzlich mehrere große Supermarktketten, ihre Preise für Grundnahrungsmittel zu senken. So verpflichtete sich etwa der französische Konzern Carrefour, der in den Emiraten die MAF Hypermarkets betreibt, bis zum Jahresende 52 Produkte zu Vorjahrespreisen anzubieten.
Saudi-Arabien droht Händlern mit Haftstrafen
In Saudi-Arabien, wo der Preis für Weizenmehl durch massive Subventionierung seit 30 Jahren unverändert ist, herrscht schon ein etwas rauerer Ton. Innenminister Prinz Naif droht Geschäftsinhabern, die Weizenmehl zu überzogenen Preisen oder als Viehfutter verkaufen, mit Haftstrafen. In Ägypten hat Präsident Husni Mubarak sogar Soldaten losgeschickt, um das Chaos in den staatlichen Bäckereien zu bekämpfen, nachdem der Kampf um das tägliche Brot die ersten Todesopfer gefordert hatte.
Denn vor den Bäckereien, wo die Armen oft stundenlang anstehen müssen, um ihre Ration von 20 kleinen Brotfladen zum Billigstpreis von einem Pfund (elf Cent) zu erhalten, kommt es inzwischen häufiger zu Schlägereien. Grund für die Misere: Die steigenden Weltmarktpreise für Grundnahrungsmittel haben dazu geführt, dass immer mehr Bäcker ihr vom Staat zum subventionierten Preis erstandenes Mehl lieber gewinnbringend verkaufen, anstatt daraus Brot für Arbeitslose, Hilfsarbeiter, Putzfrauen und kleine Beamte zu backen.
Auch in Syrien kam es kürzlich zu Handgreiflichkeiten. Als den Bauern und Lebensmittelexporteuren ohne Vorwarnung mitgeteilt wurde, dass die Ausfuhr ihrer Tomaten mit sofortiger Wirkung verboten wird, sah eine ganze Stadt rot. Die wütenden Tomatenhändler kippten ihre Export-Ware in der Hafenstadt Tartus am Mittelmeer einfach auf die Straße. Die Polizei beendete die Protestaktion schließlich mit Wasserwerfern.
Von Anne-Beatrice Clasmann, dpa
Quelle: ntv.de