Dossier

"Prozess des Jahrhunderts" Nicht nur Zustimmung

So viel ist jetzt schon klar: Es wird der "Prozess des Jahrhunderts". Bekommt das Pentagon seinen Willen, werden gleich sechs der mutmaßlichen Hauptverantwortlichen für die Anschläge vom 11. September 2001 zusammen vor Gericht gestellt. Und wie es aussieht, ist ihnen bei einem Schuldspruch die Todesstrafe sicher. "Wenn es einen Fall gibt, der diese Strafe rechtfertigt, dann dieser", brachte ein Ministeriumsbeamter die Sache auf den Punkt. Auch überzeugte Gegner des sogenannten Capital Punishment (Todesstrafe) räumen ein, dass es angesichts des Ausmaßes der Terroranschläge "so schwer sein wird wie selten zuvor, gegen die Todesstrafe zu argumentieren", wie es ein Vertreter der Gruppe "Death Penalty Focus" formulierte.

Dennoch gibt es in Washingtoner Regierungskreisen nicht nur Zustimmung für den Kurs des Pentagon als Anklagebehörde, die sechs Männer in die Hinrichtungskammer zu bringen, wie zum Beispiel auch die "New York Times" herausstellte. Das kommt nicht von ungefähr. Ein Prozess, bei dem es um Leben oder Tod geht, lenkt noch stärker das Augenmerk auf ein Verfahren, das ohnehin schon auch von vielen unabhängigen Juristen als rechtlich fragwürdig angeprangert worden ist. Denn den Terrorverdächtigen wird der Prozess vor einem militärischen Sondergericht gemacht, das den Angeklagten weniger Rechte einräumt als Beschuldigten in normalen Militärverfahren.

Auch westliche Verbündete der USA haben bereits in der Vergangenheit deutlich gemacht, dass sie die Schaffung der Militärkommissionen eigens für Prozesse gegen Terrorverdächtige in Guantnamo Bay für mehr als problematisch halten. Zwar wurden nach einer Rüge des höchsten US-Gerichts einige der Restriktionen abgemildert, die ursprünglich ins Auge gefasst worden waren. So haben die Angeklagten beispielsweise jetzt das Recht, während ihres gesamten Prozesses im Gerichtssaal zu sein, auch bei der Vorlage von als geheim eingestuftem Beweismaterial. Aber die Öffentlichkeit, das machte Pentagon-Rechtsberater Thomas Hartmann klar, wird nicht alle Beweise kennenlernen, die am Ende möglicherweise zur Exekution der Angeklagten führen. "Die Grauzonen bleiben", beklagte ein Kommentator des Senders CNN.

Vor allem aber bleibt dem Pentagon zufolge vorerst unklar, ob Beweise zugelassen wurden, die durch Folter oder "harsche Verhörmethoden" erzwungen wurden. Der Hauptangeklagte der Sechs von Guantnamo Bay und mutmaßliche Drahtzieher der Anschläge vom 11. September, Chalid Scheich Mohammed, wurde nach jüngsten Angaben von CIA-Direktor Michael Hayden dem "Waterboarding" ausgesetzt, dem Simulieren von Ertränken. Es sei nach Anhören der Argumente von Anklage und Verteidigung Sache des Gerichts zu entscheiden, welche der Aussagen als Beweise zugelassen würden, sagte Hartmann. Kritiker verwiesen prompt auf den ehemaligen Vietnamkriegsgefangenen John McCain. Der republikanische Präsidentschaftsbewerber weiß aus eigener Erfahrung, was Folter bedeutet und was man, wie er schilderte, "bereit ist zu sagen, wenn man gequält wird. Man sagt alles Mögliche, auch wenn es nicht wahr ist."

Auch Kritiker glauben, dass Mohammed und seine mutmaßlichen Komplizen wahrscheinlich "schuldig sind wie die Sünde", wie es ein Rechtsexperte formulierte. Aber es gehe ums Prinzip: "Aussagen unter Folter sind eines Rechtsstaates unwürdig." Hartmann beteuerte unterdessen immer wieder, die sechs Männer könnten auf ein faires Verfahren bauen. Aber schon das unterscheidet sie von vielen anderen Angeklagten: Bisher hatten sie keinen Anwalt, der ihnen zur Seite stand. "Recht ist Recht, das muss auch für einen Terrorverdächtigen zutreffen", sagte ein Analytiker dem Sender MSNBC. "Aber Guantnamo Bay war noch nie ein Leuchtfeuer der Rechtsstaatlichkeit."

Von Gabriele Chwallek, dpa

Quelle: ntv.de

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