Weg vom "Borat"-Image OSZE-Vorsitz für Kasachstan?
03.12.2008, 12:39 UhrWenn westliche Politiker mit leuchtenden Augen von Kasachstan sprechen, liegt das selten an den politischen Verhältnissen in dem zentralasiatischen Land. Präsident Nursultan Nasarbajew regiert seit Sowjetzeiten mit autoritären Mitteln, und im Parlament sitzt keine Opposition. Kasachstan lockt aber mit wirtschaftlichen Aussichten, denn die Energievorkommen der Region machen fünf Prozent der Weltreserven aus. Zudem will Kasachstan schon 2009 zum weltgrößten Uranproduzenten aufsteigen. Wohl auch wegen dieser handfesten Interessen wird die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa am 4. Oktober bekräftigen, dass Kasachstan trotz der Demokratiedefizite 2010 als erste Ex-Sowjetrepublik den Vorsitz des Bündnisses übernehmen kann. "Das Land soll an dieser Aufgabe wachsen", hofft ein OSZE-Diplomat.
Nach außen wirkt die kasachische Hauptstadt Astana mit ihren Prachtbauten der westlichen Stararchitekten Sir Norman Foster und Frank Gehry wie die Metropole eines traditionell kapitalistischen Landes. Mit Glaspyramiden und Prachtalleen, finanziert mit Milliarden aus dem Rohstoffhandel, versucht sich der Steppenstaat ein modernes Image zu geben. Auch deswegen reagierte das Land vor zwei Jahren verärgert auf die Film-Satire "Borat", in dem der britische Komiker Sacha Baron Cohen einen rückständigen kasachischen Reporter spielt. Außenminister Marat Taschin betonte vor wenigen Tagen, dass sich das Land nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch bereits als Mitglied der modernen Völkergemeinschaft verstehe.
Blumige Reformversprechen
Wohl auch mit Blick auf das Treffen des OSZE-Ministerrats am 4./5. Dezember in Helsinki machte Taschin blumige Reformversprechen. Erstmals in der Geschichte der Ex-Sowjetrepublik würden das Mehrparteiensystem gesetzlich verankert und das Mediengesetz gelockert, kündigte er an. Zudem wolle Kasachstan bessere Voraussetzungen für ausländische Wahlbeobachter schaffen. Aber noch im August 2007 war der siebtgrößte Flächenstaat der Erde wegen grober Verstöße bei der Parlamentswahl von der OSZE gerügt worden. Taschin warnte vor Ungeduld: "Demokratie ist ein Prozess, kein Ergebnis."
Die OSZE sei bei Kasachstan durchaus gespalten, räumt ein Diplomat der weltweit geachteten Organisation mit 56 Teilnehmerstaaten ein. "Aber man sollte nicht vergessen, dass die OSZE bei ihrer Gründung 1975 alles andere als ein Verein lupenreiner Demokratien war", sagt der Mann, der ungenannt bleiben möchte. Auf jeden Fall könnte sich die OSZE mit der Vergabe des Vorsitzes an Kasachstan besser in Zentralasien verankern. Aus Sicht des Westens kommt Kasachstan bei der religiösen Strahlkraft des Afghanistan-Konflikts eine besondere Rolle als Stabilitätsfaktor in der Region zu.
"Veränderungen dürfen nicht verwirren"
Wenn der OSZE-Ministerrat in dieser Woche Kasachstans Demokratie-Fortschritte begutachtet, steht auch die Religionsfreiheit auf dem Prüfstand. Laut Verfassung garantiert Kasachstan die Trennung von Staat und Kirche. "Das heißt nicht, dass jede Glaubensrichtung bei uns machen kann, was sie will", unterstreicht Amanbek Muchaschow von dem für Glaubensfragen zuständigen Justizministerium in Astana. Vor allem dem sich in Zentralasien ausbreitenden Fundamentalismus wolle man einen Riegel vorschieben. Der Generalvikar der römisch-katholischen Erzdiözese in Astana, Jean-Marc Stoop, warnt in diesem Zusammenhang vor einem Misserfolg des OSZE-Vorsitzes.
"Gelingt die Führungsrolle, könnten humanistische Werte stärker in der Region Fuß fassen", glaubt Stoop. Lasse der Westen das Land aber allein, schaffe man Raum für Extremisten. Etwa 47 Prozent der rund 15 Millionen Kasachen sind Muslime. Es gebe deutliche Signale von Tätigkeiten islamistischer Organisationen aus dem Ausland, erzählt Kalischan Sankojew, Vorsteher der prachtvollen Nur-Moschee in Astana. Erfolgreich seien die Extremisten bisher nicht. Aus seiner Sicht könne sich dies aber ändern, wenn politische Reformen zu schnell umgesetzt würden, warnt der Imam im Büro des Gotteshauses, das rund 5000 Gläubige fasst. "Veränderungen dürfen Menschen nicht verwirren."
Quelle: ntv.de, Wolfgang Jung, dpa