US-Finanzmarktreform Obama punktet, aber nicht beim Volk
20.07.2010, 14:00 UhrUS-Präsident Obama unterzeichnet am Mittwoch die Finanzreform. Sie ist sein dritter großer Coup im Kongress - doch bei den Amerikanern hält sich die Begeisterung in Grenzen.

Nach Konjunkturpaket und Gesundheitsreform ist Obama mit der Finanzreform der dritte innenpolitische Triumph gelungen.
(Foto: AP)
Die miese Stimmung im Land hat schon die Boutiquen in Washingtons Internationalem Flughafen Dulles erreicht: "Gibt mir keine Schuld, für DIESEN Wandel hab ich nicht gestimmt", ist dort auf T-Shirts zu lesen, die sich sonst eher in Läden der Republikaner fanden. Undank, Unzufriedenheit, Unmut schlägt dem Mann entgegen, der sich einst "Change" (Wandel) auf die Fahnen schrieb. Dabei hat Barack Obama bislang durchaus Beachtliches geschafft, und das gleich in der ersten Hälfte seiner ersten Amtszeit.
Den Beginn markiert ein 787 Milliarden Dollar umfassendes Konjunkturpaket im Kampf gegen den dramatischen Absturz der Wirtschaft. Im Frühjahr 2010 drückt Obama gegen erbitterten Widerstand der Republikaner seine Gesundheitsreform durch. Am Mittwoch setzt der Präsident nun mit seiner Unterschrift die umfassendste Finanzreform seit 80 Jahren in Kraft - wegen hauchdünner Mehrheiten im Senat erneut nur nach einer Zitterpartie. Die wegen fetter Boni auch in den USA nicht eben wohlgelittenen Banker sollen zumindest an eine kürzere Leine.
Sinkende Umfragewerte
Aber nur eine Minderheit der US-Bürger dankt es ihm, sagen Umfragen. Die Jubelbilder vom Wahlsieg im November 2008 und der Amtseinführung im Januar darauf, das Gefühl von Aufbruch und Neuanfang scheinen vielen wie aus einem anderen Jahrhundert. Beinahe zwei Drittel meinten jüngst bei einer Erhebung der Wirtschaftsagentur Bloomberg, das Land befinde sich auf dem falschen Kurs. Eine knappe Mehrheit lehnt Obamas Wirtschaftspolitik ab.
Nach einer anderen Umfrage finden nur 13 Prozent, die Mühen des Manns im Weißen Haus um die Konjunktur hätten ihnen persönlich geholfen. "Ein abgrundtief schlechter Gewinn an Zuneigung für ein enormes finanzielles Investment", stellt die "New York Times" trocken fest. "Ich sehe diese Erhebungen eher als Frage: Haben Sie einen Job und wie sieht es mit ihrer Rente aus?", erklärt der renommierte "Times"-Kolumnist Thomas Friedman den Frust. "Diese Umfrageergebnisse erzählen doch vor allem eine Geschichte: Es gibt jede Menge Angst unter den Menschen um ihre Arbeit und ihre Ersparnisse."
Neues Phänomen: Langzeitarbeitslose
"Wir haben uns nach Kräften bemüht und alle 38 Seiten des Dokuments durchkämmt, aber nicht den kleinsten Sonnenstrahl in diesen düsteren Zahlen entdeckt", urteilte das einflussreiche US-Wirtschaftsblatt "Barron's" über den jüngsten Arbeitsmarktbericht. Kein Wunder: Dass die Quote im Juni von 9,7 auf 9,5 Prozent sank, lag nur daran, dass 625.000 Amerikaner entnervt die Jobsuche aufgaben - eine solche hohe Zahl ist selten.
Schlimmer noch: Eine umfassendere Analyse, die unter anderem unfreiwillige Teilzeitbeschäftigung einbezieht, malt die Lage auf dem Jobmarkt weit düsterer. Danach liegt die Arbeitslosenquote bei 16,5 Prozent. Zu allem Überfluss zerrt ein Phänomen an den Nerven der Verantwortlichen, das sie sonst vor allem aus Europa kannten: Langzeitarbeitslose. Dazu zählt in den USA, wer länger als 27 Wochen ohne Job ist, derzeit 4,4 Prozent - so viel wie nie seit Beginn der Statistik 1948. US-Notenbankchef Ben Bernanke lässt es in kaum einer seiner Reden aus. Über die Ursachen rätselt die Fachwelt noch.
Kongresswahlen vor der Tür
Was die Federal Reserve unlängst zur Konjunktur zu sagen hatte, trug auch nicht eben zu besserer Stimmung bei. Weil der Aufschwung träger als gedacht aus den Startlöchern kommt, schraubte Bernankes Fed die Wachstumsprognose für 2010 leicht auf zwischen 3 und 3,5 Prozent zurück. Bedenklich auch hier die Aussichten für den Jobmarkt: Unter 9,2 Prozent sinke die Arbeitslosenquote bis zum Ende des Jahres nicht, rechnen die Zentralbanker vor. Und auch in zwei Jahren seien noch zwischen 7,1 und 7,5 Prozent zu erwarten - gruselige Zahlen für amerikanische Verhältnisse.
Keiner zweifelt: Das Job-Thema wird die mit Spannung erwarteten Kongresswahlen Ende des Jahres beherrschen. "Jene Partei, die die Krise auf dem Arbeitsmarkt als dramatischen Notstand behandelt, wird die Partei sein, die im November gut abschneidet", ist sich "Washington Post"-Kolumnist Eugene Robinson sicher.
Wer Obama Mut machen will, verweist derweil auf einen seiner Vorgänger, dem es ähnlich ging. Auch dieser Präsident zog mitten in einer Wirtschaftskrise ins Oval Office. Nach eineinhalb Jahren im Amt lag die Arbeitslosigkeit bei 9,8 Prozent. Die Umfragen sprachen von gedämpfter Zustimmung um die 48 Prozent - ähnlich wie jetzt bei Obama. Doch am Ende durfte jener Präsident vier weitere Jahre im Weißen Haus bleiben. Er wurde zur strahlenden Ikone seiner Partei. Es war der Republikaner Ronald Reagan.
Quelle: ntv.de, Frank Brandmaier, dpa