Der Triumph der Zwillinge Polen allein gegen alle
24.06.2007, 15:22 UhrNicht nur der polnische Staatspräsident Lech Kaczynski triumphierte nach dem polnischen Gipfel-Erfolg von Brüssel. Sein Zwillingsbruder, Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski, zeigte sich ebenfalls hoch zufrieden. "Polen hat praktisch alles erreicht", lobte er die Verhandlungsführung des Bruders. Das Land gehe mit einer gestärkten Position in Europa aus dem Gipfel hervor.
Zugleich wies Jaroslaw Kaczynski Deutungen zurück, wonach er der eigentliche polnische Verhandlungsführer gewesen sei. Natürlich seien Präsident und Regierungschef in ständigem Kontakt gewesen. Die Verhandlungen habe allerdings "ausschließlich" Lech Kaczynski geführt. "Ich hatte dabei keinerlei Rolle", versicherte er.
Das hatte am Freitagabend noch ganz anders gewirkt. Denn während Lech Kaczynski in Brüssel verhandelte und die Signale auf Einigung zu stehen schienen, meldete sich Jaroslaw Kaczynski aus Warschau in einem Fernsehinterview zu Wort. "Polen ist ein zu wichtiges Land in Europa, um alles aufzugeben", grollte er. Polen stehe mit dem Rücken zur Wand, er sehe kaum noch einen anderen Ausweg als ein Veto Polens. Kurz danach war auch aus Brüssel zu hören, Polen lehne den Vorschlag zur Stimmengewichtung im europäischen Rat ab. "Es gab dramatische Momente", räumte Lech Kaczynski am frühen Samstagmorgen ein.
Die Schockwellen der Warschauer Veto-Ankündigung waren kaum abgeebbt, da sorgte Ratspräsidentin Angela Merkel mit der Drohung, die Reform der EU auch ohne Mandat Polens durchführen zu wollen, für Aufregung in der polnischen Delegation. Doch auch die mitteleuropäischen Nachbarn solidarisierten sich mit Polen - kein Land dürfe ausgeschlossen werden. "Polen hat nicht die Absicht zu vergessen, welche Staaten sich solidarisch verhalten haben", sagte Lech Kaczynski.
Das könnte im Umkehrschluss auch für deutsch-polnische Befindlichkeiten gelten. Nachdem Jaroslaw Kaczynski im Feilschen um Stimmrechte auch an die Zahl der polnischen Kriegstoten erinnert hatte, könnte Angela Merkels Drohung eines Ausschlusses Polens nachträglich das Klima trüben. Roman Giertych, stellvertretender Ministerpräsident von der nationalistischen Liga Polnischer Familien, warnte bereits, Merkels Verhalten zeige, dass sich die EU "immer mehr unter dem Diktat der deutschen Politik" befinde.
Am Ende wurde es dann zwar nicht die Quadratwurzel, für die es sich nach Aussage der Kaczynski-Brüder zu sterben gelohnt hätte. Doch mit der Aussicht, das für Polen außerordentlich günstige Stimmengewicht nach dem Vertrag von Nizza bis 2017 beizubehalten, konnte Lech Kaczynski triumphierend in die Heimat zurückkehren. Der international eher unerfahrene Jurist knüpfte zugleich an die Tradition polnischer Verhandlungsführer auf vergangenen Gipfeln an.
Denn in der Vergangenheit hatten konservative wie linke polnische Regierungschefs eine große Gemeinsamkeit gezeigt: Polen pokerte hoch, setzte mit Drohungen, den Gipfel scheitern zu lassen, wenn die polnischen Forderungen nicht erfüllt würden, oft alles auf eine Karte. Ob Beitrittsbedingungen, Milchquoten oder Haushaltsmittel - die Polen gaben auch allein gegen alle dem Druck der Mehrheit nicht nach.
Von Eva Krafczyk, dpa
Quelle: ntv.de