Vor der Präsidentenwahl Polen hat keinen klaren Favoriten
16.06.2010, 15:52 UhrJaroslaw Kaczynski will Präsident werden und damit die Nachfolge seines bei einem Flugzeugabsturz tödlich verunglückten Bruders Lech antreten. Aber klarer Favorit ist er nicht.
Wenige Tage vor der Präsidentenwahl in Polen sind vor allem drei Dinge gewiss: Die Abstimmung wird spannender als zunächst angenommen. Der neue Präsident, der in Polen erheblichen Einfluss auf die Geschäfte der Regierung nehmen kann, steht einem wirtschaftlich angeschlagenen Land vor. Und: An den Finanzmärkten wird die Kandidatur des euro-skeptischen Jaroslaw Kaczynski nicht gerade euphorisch gesehen. Im Gegenteil: Es geht die Sorge um, der Zwillingsbruder des bei einem Flugzeugabsturz gestorbenen Staatsoberhaupts Lech Kaczynski könnte sich dem Euro-Beitritt in den Weg stellen und auch sonst die Arbeit der Regierung eher blockieren als unterstützen.
Der polnische Präsident hat längst nicht nur repräsentative Aufgaben: Er hat ein Vetorecht gegen Gesetze sowie Mitspracherechte in der Außen- und Sicherheitspolitik. Lech Kaczynski hatte davon kräftig Gebrauch gemacht und unter anderem eine Renten-, Gesundheits- und Medienreform blockiert.
Komorowski geht als Favorit ins Rennen
Nun konnte Polen zwar als einziges Land der 27-EU-Staaten einen Wirtschaftsabschwung vermeiden. Allerdings wurde das Haushaltsdefizit auf mehr als sieben Prozent des Bruttoinlandsproduktes gedrückt, zudem stieg die Zahl der Arbeitslosen. Die europäische Schulden-Krise könnte das Land weiterhin beuteln - Investoren erhoffen für den Fall ein reibungsloses Handeln der Regierung.

Parlamentspräsident Bronislaw Komorowski erhält Unterstützung von Ex-Ministerpräsidenten Cimoszewicz.
(Foto: picture alliance / dpa)
Als leichter Favorit geht der moderat-konservative Parlamentspräsident Bronislaw Komorowski von der regierenden liberal-konservativen Bürgerplattform ins Rennen. Rückenwind erhielt er unlängst vom weiterhin populären Ex-Ministerpräsidenten Wlodzimierz Cimoszewicz. Polen brauche jetzt eine harmonische Zusammenarbeit zwischen dem Präsidenten und der Regierung - eine klare Anspielung auf die Konflikte zwischen dem Präsidenten Kaczynski und der Regierungspartei.
Kaczynski holt kräftig auf
Der gewiefte Wahlkämpfer Jaroslaw Kaczynski hat jedoch kräftig aufgeholt und ist in Umfragen beinahe gleichgezogen. Mit ihm dürften die Beziehungen zu Deutschland nicht leichter werden - Beobachtern zufolge könnte Kaczynski sich hier als nationaler Präsident positionieren, der auf die Beziehungen zur EU und Russland keinen gesteigerten Wert legt. In seiner nur wenige Monate dauernden Zeit als Ministerpräsident hatte sich Kaczynski zudem mit den Eliten des Landes aus Wirtschaft und Politik angelegt.
Erreicht in der ersten Runde der Wahl am kommenden Sonntag keiner der Kandidaten mehr als 50 Prozent, fällt die Entscheidung am 4. Juli in einer Stichwahl. Durch den Tod Lech Kaczynskis war die ursprünglich für den Herbst geplante Abstimmung vorgezogen worden.
Quelle: ntv.de, Gareth Jones, rts