Dossier

Sumpf der Kriminellen Polizei deckt Drogenkartelle in Mexiko

Selbst wenn die mexikanische Polizei Mitglieder von Drogenkartellen festnimmt, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht mehr aktiv sind.

Selbst wenn die mexikanische Polizei Mitglieder von Drogenkartellen festnimmt, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht mehr aktiv sind.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die Drogenkartelle in Nordmexiko haben alle in der Hand: Politik, Justiz und Medien. Sogar die Polizei lässt Gefängnisinsassen für nächtliche Mordtaten frei.

Die Festnahme der gesamten Führung eines Gefängnisses im mexikanischen Bundesstaat Durango schockiert die mexikanische Gesellschaft. Denn die Direktion der Haftanstalt in Gómez Palacio ließ zu, dass eine Verbrecherorganisation Häftlinge rekrutierte und zu nächtlichen Mordtaten losschickte: mit Fahrzeugen und Waffen des Gefängnisses.

In mindestens drei Fällen attackierten die "Pistoleros" seit April dieses Jahres Bars in der Stadt Torreon im Nachbarstaat Coahuila und richteten dort Blutbäder an, mit Dutzenden Toten und Verletzten. Von der Polizei unerkannt verschwanden sie nach der Tat - in die Zellen ihres Gefängnisses in Gómez Palacio, wenige Kilometer entfernt von Torreon.

Möglich wurde das, weil die Gefängnisdirektion die Verbrecherorganisation deckte. "Die Anstalt wurde zur Basis der Rauschgift-Pistoleros", kommentierte die Zeitung "Milenio". Aber auch die lokale Polizei ist in derartige Verbrechen involviert.

Gefängnis verhindert kriminelle Machenschaften nicht

In den Gefängnissen Mexikos enden die kriminellen Handlungen nicht. Viele Mitglieder der Drogenkartelle und anderer organisierter Banden setzen ihre Aktivitäten von dort aus fort. Sie ordnen Entführungen und Morde an. Sie organisieren Erpressungen und den Handel mit Waffen, Drogen und Menschen. Gefängnisleitung, örtliche Polizei und lokale Verwaltungen werden bestochen oder durch Erpressung und Drohung gefügig gemacht.

"In Torreon sind die lokalen Polizisten zur Pflanzstätte des Verbrechens geworden", berichtete die Zeitschrift "Proceso", die dem "Drogenkrieg" gerade zwei Sondernummern gewidmet hat. "Die Patrouillen der Polizei werden gebraucht, um Terrain einzunehmen, kriminelle Aktionen zu decken und sich der Bundespolizei in den Weg zu stellen." Wenn sie für eine Operation gegen die Kartelle in der Region eingesetzt würden, kämen sie zu spät zum Tatort, oder gar nicht, berichtete das Blatt weiter.

Bürgermeister leben aus Angst in den USA

Der Drogenkrieg in Mexiko fordert wöchentlich Dutzende Tote.

Der Drogenkrieg in Mexiko fordert wöchentlich Dutzende Tote.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

In dem Wissen, dass die Kartelle viele Gebiete vor allem im Norden Mexikos kontrollieren und der Staat dort die Macht eingebüßt hat, schickte Präsident Felipe Calderón im Dezember 2006 die Streitkräfte in den Kampf. Doch der Feind ist unsichtbar. Er meldet sich mit schriftlichen Botschaften, die er auf Plakate kritzelt und an den Leichen befestigt. Seit 2006 sind über 25.000 Menschen getötet worden: Kriminelle, Zivilisten, Polizisten, Soldaten, Anwälte und Staatsanwälte.

Und Politiker. Besonders häufig werden Bürgermeister zur Zielscheibe. Aus Angst vor den Kartellen leben viele Bürgermeister und hohe Beamte diverser Städte Nordmexikos in den USA. Andere arbeiten mit den Drogenbanden zusammen. Vor einem Jahr wurden im Bundesstaat Michoacán auf einen Schlag 30 Stadtoberhäupter festgenommen, weil sie mit dem Kartell "La Familia" zusammengearbeitet haben sollen. Nur bei zehn von ihnen stellte sich heraus, dass der Vorwurf wohl nicht zu traf. 20 sind noch in Haft.

Journalisten setzen Leben von Kollegen aufs Spiel

Auch die vierte Macht gerät zunehmend unter die Kontrolle der Kartelle. Vor allem lokale Medien werden zum Schweigen gebracht. Der Polizeireporter einer nördlichen Stadt berichtete, er sei mit seinem Fotografen nachts zum Staatsanwalt bestellt worden. Sie seien aber nicht vom Staatsanwalt, sondern von "zwei Herren" empfangen worden. Diese hätten ihnen unter anderem erklärt, sie wüssten, wann und wo ihre Kinder zur Schule gingen. Sie sollten besser aufhören, über die Aktivitäten gewisser Mächtiger zu berichten.

Mexiko gilt inzwischen als eines der gefährlichsten Länder weltweit für Journalisten. Sie werden entführt, gefoltert und umgebracht, wenn sie sich dem Willen der Kartelle oder der mit ihnen verbündeten korrupten Staatsdiener nicht fügen. Viele Polizeireporter verkleiden sich, wenn sie zu Tatorten gehen, um zu verhindern, dass sie von Fotografen der Kartelle fotografiert und identifiziert werden können.

Doch auch das hilft meist nicht mehr: Die Redaktionen sind infiltriert mit Leuten, die den Kartellen berichten. Ein Journalist in Sinaloa verriet "Proceso": "In unserer Redaktion gibt es solche, die gute Arbeit machen wollen, aber es gibt andere, die das Leben von vielen Kollegen aufs Spiel setzen."

Quelle: ntv.de, Franz Smets, dpa

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