Norwegen wählt Populisten bedrohen Rot-Rot-Grün
09.09.2009, 14:56 UhrWeiter mit Rot-Rot-Grün oder ein Wechsel zu spendierfreudigen und islamkritischen Rechtspopulisten? So lautet die Alternative für 3,5 Millionen Norweger am Montag bei der Neuwahl ihres Parlamentes.

Seit 2005 verfügen die regierenden Sozialdemokraten zusammen mit Linkssozialisten und dem traditionell als "grün" bezeichneten Zentrum über die Mehrheit in Norwegen.
(Foto: picture-alliance/ ZB)
Der sozialdemokratische Regierungschef Jens Stoltenberg muss mit den Linkssozialisten und dem wegen seiner Parteifarbe als grün bezeichneten Zentrum um die absolute Mehrheit zittern. Aus dem Oppositionslager peilt die Rechtspopulistin Siv Jensen das politische Spitzenamt in Oslo an, hat aber ihrerseits eine scharfe Konkurrentin in der konservativen Parteichefin Erna Solberg.
Die 40 Jahre alte Rechtspopulistin Jensen verlangt im Wahlkampf vor allem eine viel schärfere Asylpolitik: "Wir müssen die schleichende Islamisierung Norwegens verhindern." Gleichzeitig verspricht sie, die sagenhaften Staatseinnahmen aus den Öl- und Gasfeldern in der Nordsee direkter und massiver ans Volk zu verteilen. Bisher aber fehlt der Fortschrittspartei trotz souveräner Umfragezahlen um die 25 Prozent die nötige Unterstützung der Rest-Opposition für den Sprung an die Macht.

Die Vorsitzende der konservativen Partei Hoyre, Erna Solberg (rechts), hofft auf eine bürgerliche Regierung .
(Foto: dpa)
Auch mit so "eingängigen" Forderungen wie der nach Lockerung der Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen und unbegrenztem Alkoholverkauf an Tankstellen haben die Populisten Norwegens Konservative als führende Kraft des bürgerlichen Lagers verdrängt. Letztere aber holen bei den Umfragen auf. Die 48-jährige Parteichefin Solberg macht sich wieder zunehmend Hoffnung, dass sie statt Jensen den Sozialdemokraten Stoltenberg ablösen könnte. Ihr Ziel kurz vor dem Urnengang: Die Konservativen müssen wenigstens annähernd so stark werden wie die Fortschrittspartei, und zusammen mit zwei kleinen Parteien muss das traditionelle Bürgerlager die Populisten klar bei der Mandatszahl übertreffen. Dann ließe sich Jensen vielleicht zur Duldung einer Minderheitsregierung bewegen.
"Keine klare Regierungsalternative"
In dieser nicht neuen Zerrissenheit des bürgerlichen Lagers steckt die Chance des 50-jährigen Sozialdemokraten Stoltenberg auf den Machterhalt auch bei einer Niederlage. In den vier zurückliegenden Jahren hat der Sohn des populären Ex-Außenministers Thorvald Stoltenberg seine eigene Popularität durchaus erhöhen können. Die erstmals überhaupt mitregierenden Linkssozialisten aber taten sich schwer mit der Mitverantwortung für alles andere als traditionell linke Entscheidungen etwa bei der Unterstützung von angeschlagenen Banken in der Finanzkrise.

Norwegens sozialdemokratischer Ministerpräsident Jens Stoltenberg muss um die absolute Mehrheit zittern.
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"Die anderen haben keine klare Regierungsalternative zu bieten", sagt Stoltenberg bei seinen Wahlkampfauftritten. Bei einem inhaltlich recht müden Wahlkampf ohne "große" Themen und ohne echte Krisenstimmung scheinen ihm mehr und mehr Wähler recht zu geben: Die Umfragen geben seiner Partei langsam bessere Zahlen, wenn auch die Opposition nach einer neuen Wählerbefragung vorne liegt.
Völlig im Schatten ist im Wahlkampf wieder einmal das ewige Problem eines norwegischen EU-Beitritts geblieben: Zweimal hatten dies sozialdemokratische Regierungen der Bevölkerung 1972 und 1994 empfohlen, zweimal scheiterten sie bei Volksabstimmungen. Stoltenberg möchte, obwohl er selbst für die Mitgliedschaft eintritt, nicht der dritte Osloer Regierungschef mit einer solchen Niederlage als Schultergepäck werden.
Quelle: ntv.de, Thomas Borchert, dpa