Dossier

Regionalwahlen in Tschechien Prager Regierung zittert

Während die weltweiten Finanzmärkte beben, ist Tschechien mit klassischen Richtungswahlen zwischen Sozialdemokratie und einem liberal-konservativen Wirtschaftsverständnis beschäftigt. In der zweiten Oktoberhälfte bewertet das Land mit elf Millionen Einwohnern in Regional- und Senatorenwahlen auch die Politik der Mitte-Rechts-Koalition von Ministerpräsident Mirek Topolanek in Prag. Den Umfragen zufolge liegen die oppositionellen Sozialdemokraten (CSSD) mit knapp 30 Prozent in etwa gleichauf mit der Bürgerpartei (ODS) von Regierungschef Topolanek.

Einer Erhebung des Prager Meinungsforschungsinstituts STEM zufolge wollen zwei Drittel der Tschechen für die Partei stimmen, die sie auch bei Parlamentswahlen unterstützen würden. Siegessicher gibt sich der Oppositionsführer und CSSD-Vorsitzende Jiri Paroubek: "Ich gehe davon aus, dass wir in allen Kreisen Mährens und einem großen Teil der böhmischen Regionen gewinnen werden."

Bürgerpartei erahnt Wahlverluste

Regierungschef Topolanek ahnt Mandatsverluste voraus. In den seit 2000 neu definierten tschechischen Regionen, die in ihren Befugnissen und Aufgaben deutschen Regierungsbezirken ähneln, stellte seine Partei bisher 13 der landesweit 14 Regionaldirektoren. Jetzt wäre die ODS bereits zufrieden damit, in sieben Regionen wieder stärkste Kraft zu sein, sagt Topolanek.

Ähnlich gestaltet sich die Situation im tschechischen Senat. Das 1996 wieder etablierte Gesetzgebungsgremium hat 81 Mandate. Ein Drittel der regional verankerten Senatoren wird alle zwei Jahre neu bestimmt. Aktuell hält die ODS mit 41 Mandaten die absolute Mehrheit. Den Trends zufolge dürfte das Vergangenheit sein, wenn in zwei Wahlrunden (17./18. Oktober sowie Stichwahlen am 24./25. Oktober) 27 Mandate neu vergeben werden.

Bündnisse zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten

Das tschechische Wahlrecht stützt die großen Parteien. Die mitregierenden Christdemokraten und Grünen erhoffen sich deshalb ebenso wie die oppositionelle Kommunisten statt Spitzenposten eher Koalitionsmöglichkeiten. Oppositionsführer Paroubek kündigte - ein Novum in der Landespolitik - bereits Bündnisse zwischen seinen Sozialdemokraten und den Kommunisten an, "dort, wo es sinnvoll erscheint". Praxisgebühren für Kranke sollen abgeschafft und die Arbeitslosenhilfe gestärkt werden, wirbt das linke Spektrum.

Das Regierungsbündnis aus der Bürgerpartei ODS, Grünen und Christdemokraten hingegen verlor sich nach der politischen Sommerpause in innerparteilichen Grabenkämpfen und Affären. Daraufhin rebellierten mehrere Parlamentsabgeordnete gegen ihre Fraktionen, und Topolanek musste wichtige Abstimmungen wie über den Haushalt 2009, den US-Raketenabwehrschild oder den EU-Reformvertrag aufschieben.

Gegenspieler Paroubek wittert die Chance. Schon am 21. Oktober, nach dem ersten Wahlwochenende, soll sich Topolanek im Parlament einem Misstrauensvotum stellen, kündigte er an. Daraufhin brachte sich der populäre Prager Oberbürgermeister und ODS-Kronprinz Pavel Bem in Stellung. Bei einer deutlichen Wahlniederlage der ODS stehe er als Topolanek-Nachfolger für die Parteiführung bereit. Damit wäre der Weg frei für eine große Koalition, kommentierten tschechischen Medien.

Jakob Lemke, dpa

Quelle: ntv.de

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