Jenseits der Konfrontation Premier für Pakistan
24.03.2008, 16:54 UhrPakistan hat einen neuen Regierungschef. Sechs Wochen nach dem Sieg der Opposition bei der Parlamentswahl wurde Yousaf Raza Gillani (55) von der Pakistanischen Volkspartei PPP im Unterhaus in Islamabad zum Premierminister gekürt. Nach Bekanntgabe des Ergebnisses brach im Parlament überschwänglicher Jubel aus. Als einer der ersten gratulierte dem neuen Regierungschef sichtlich bewegt der zukünftige PPP-Chef und Sohn der im Dezember ermordeten Oppositionsführerin Benazir Bhutto, Bilawal Bhutto Zardari.
Trotz aller Euphorie schwingen bei der Ouvertüre zu Pakistans demokratischem Neuanfang jedoch auch Misstöne mit. Wochenlang hatte es in der PPP Streit gegeben, wer das Land im Auftrag von Volk und Partei führen solle. Der starke Mann an der Spitze, Bhutto-Witwer Asif Ali Zardari, kam zunächst nicht infrage. Zardari, der im Namen seines Sohnes die Amtsgeschäfte als Parteichef führt, durfte wegen laufender Korruptionsverfahren nicht bei der Wahl im Februar antreten.
Gegen allgemeine Erwartungen
Nach Ansicht von Beobachtern verfolgte Zardari jedoch seither nur ein Ziel: Die Fäden der Macht auch ohne Funktion in Regierung und Parlament in der Hand zu halten. Gesucht wurde daher eine Persönlichkeit, die als Premier im In- und Ausland anerkannt wird, sich gleichzeitig aber Zardaris Führungsanspruch beugt.
Erstes Opfer des internen Machtkampfs wurde Makhdoom Muhammad Amin Fahim. Acht Jahre lang führte er die PPP, während Benazir Bhutto im selbst gewählten Exil ausharrte. Als Zardari und sein Sohn Bilawal Ende Dezember nach dem Willen der ermordeten Benazir Bhutto die Parteiführung übernahmen, war erwartet worden, dass Fahim für seine Loyalität mit dem Amt des Premierministers belohnt wird.
Dass es anders kam, hat mehrere Gründe. Zum einen verfügt der charismatische 69-jährige Fahim in seiner südlichen Heimatprovinz Sindh, der Hochburg der PPP, über eine eigene starke Machtbasis. Zum anderen soll Nawaz Sharif gegenüber dem zukünftigen Koalitionspartner massive Einwände gegen Fahim geäußert und auf einen Premier aus der Provinz Punjab, der Machtbasis seiner Muslim-Liga, bestanden haben.
Loyal und respektiert
In Parteivize Gillani scheint Zardari den geeigneten Mann gefunden zu haben. Seit den 80er Jahren wurde der aus einer einflussreichen Familie im Punjab stammende PPP-Politiker viermal ins Parlament gewählt. Von 1993 bis 1996 fungierte er unter Premierministerin Bhutto als Parlamentspräsident.
Zwei Jahre nach dem unblutigen Putsch des damaligen Armeechefs und heutigen Staatspräsidenten Pervez Musharraf wurde Gillani 2001 wegen Amtsmissbrauchs zu einer Haftstrafe verurteilt. Seine Loyalität gegenüber seiner Partei und dem Bhutto-Clan hat das nicht erschüttert. Während seiner fast sechsjährigen Haft soll er mehrere Angebote Musharraf-treuer Kräfte abgelehnt haben, die Seiten zu wechseln. Innerhalb der Partei genießt er dafür großen Respekt.
Wechsel bereits in Sicht?
Ob Gillani die volle Amtszeit lang Chef einer Koalitionsregierung aus Ministern von Volkspartei und Muslim-Liga (Nawaz) des früheren Regierungschefs Nawaz Sharif sein wird, ist unklar. Nach Einstellung aller Gerichtsverfahren gegen PPP-Chef Zardari vor wenigen Tagen könnte dieser den Posten nun doch selbst übernehmen.
Unbeeindruckt von diesen Spekulationen hat Musharraf den Beginn einer Ära der "wahren Demokratie" ausgerufen. Der künftigen Regierung sicherte er seine volle Unterstützung zu. Auch Gillani, der an diesem Dienstag von Musharraf im Amt vereidigt wird, hat angekündigt, nicht auf Konfrontationskurs gehen zu wollen. Ob er das Versprechen hält, hängt auch davon ab, wie viel politischen Freiraum PPP-Chef Zardari seinem Statthalter zugesteht.
Von Stefan Mentschel, dpa
Quelle: ntv.de