Konflikt um Südossetien Putin gibt den Ton an
12.08.2008, 11:56 UhrEr besucht Flüchtlinge, er schüttelt Soldaten die Hände und verkündet mit markigen Worten, mit welchen Maßnahmen Russland die Krise im Kaukasus beenden will. Seit in der Nacht zu Freitag ein offener Konflikt um die abtrünnige georgische Region Südossetien ausgebrochen ist, gibt der russische Regierungschef Wladimir Putin den Ton an. Staatschef Dmitri Medwedew hinkt seinem Vorgänger im Präsidentenamt hinterher und wiederholt nur Putins Aussagen zu dem Konflikt mit Georgien. An der Krise im Kaukasus zeigt sich, wer in Russland wirklich das Sagen hat, meinen Experten. Putin habe weiter das Heft in der Hand und dränge Medwedew in die zweite Reihe.
"Putin, helfen Sie uns bitte!" Dieser verzweifelte Ruf ossetischer Flüchtlinge macht deutlich, dass der russische Ministerpräsident als Schlüsselfigur in dem Konflikt mit Georgien angesehen wird. Tatsächlich hat sich Putin gleich zu Beginn der Kämpfe als Mann der Tat profiliert. Während Medwedew die Konfliktgebiete bisher nicht besuchte, reiste Putin nach seiner Teilnahme an der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Peking am Samstag direkt nach Wladikawkas. In der Hauptstadt des zu Russland gehörenden Nordossetien traf er ossetische Flüchtlinge.
Putin als Mann der Tat
"Mit sportlicher Ausstrahlung steigt Putin aus, schüttelt Soldaten die Hände, trifft Flüchtlinge und formuliert klar, was Russland tun wird", fasst der russische Politikwissenschaftler Dmitri Oreschkin dessen Besuch in Wladikawkas zusammen. "Er ist in den Augen der Wähler ein Mann der Tat, während Medwedew nur sagt, dass die humanitäre Katastrophe nicht gut ist." Die Krise im Kaukasus mache noch deutlicher, dass auch nach Medewedews Vereidigung zum Präsidenten Anfang Mai Putin in Moskau die Nummer eins sei.
Die russische Rhetorik im Konflikt mit Georgien wird von Putin bestimmt. Er habe als Erster der georgischen Armee einen "Völkermord" an den Südossetiern vorgeworfen, sagt Maria Lipman vom Forschungszentrum Carnegie in Moskau. Medwedew habe diese drastische Formulierung lediglich übernommen. Putin tat sich zudem mit seinen Vorwürfen gegen die USA hervor, die aus seiner Sicht zum Ausbruch des Konflikts maßgeblich beitrugen. "Zynisch" sei Washington, wenn es die Vergehen seines Verbündeten Georgien in Südossetien verteidige, die schlimmer seien als die des irakischen Ex-Machthabers Saddam Hussein, wetterte der Regierungschef.
Nicht so mächtig wie der Vorgänger
Putin erteilt Medwedew sogar öffentlich Ratschläge für den Konflikt im Kaukasus. "Es wäre gut, wenn sie der Militärführung Anweisung erteilen, Truppen zusammenzuziehen", sagte er dem Staatschef und Oberbefehlshaber der Truppen nach seiner Rückkehr aus Wladikawkas in einem vom Fernsehen übertragenen Gespräch. Und als wäre er Befehlsempfänger des Ministerpräsidenten, antwortete Medwedew: "Ich werde natürlich solche Anweisungen erteilen."
Medwedews Rolle in dem Konflikt scheint die in Russland bereits weit verbreitete Einschätzung zu bestätigen, dass der Präsident längst nicht so mächtig ist wie sein Vorgänger. In einer Umfrage des unabhängigen Lewada-Instituts anlässlich der ersten 100 Tage von Medwedews Präsidentschaft hatten nur neun Prozent angegeben, Medwedew habe wirklich Macht. Die russische Ausgabe des Magazins "Newsweek" berichtete jüngst unter Berufung auf Kreml-Kreise, Putin herrsche in Russland über die Wirtschaft, die Sicherheitskräfte und das ganze Land. Das sorge für Spannungen zwischen ihm und Medwedew, die beiden verfolgten immer weniger eine gemeinsame Politik.
Die gestörte Harmonie zwischen Putin und Medwedew zeigt sich laut Oreschkin auch daran, dass die Entsendung russischer Truppen nach Georgien nicht vom Präsidenten angekündigt wurde. Medwedew sei in die Entscheidung genauso wenig eingebunden gewesen wie das Parlament. Der Politologe fragt sich, ob Medwedew noch mehr ist als eine Verzierung im Kreml. "Und wer übernimmt die Verantwortung für den derzeitigen Einsatz?"
Quelle: ntv.de, Olga Nedbaeva, AFP