Links oder Mitte Quo vadis, SPD?
04.10.2009, 17:39 Uhr
Die Basis fordert: Die SPD soll wieder als einheitliche Partei auftreten.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Im SPD-Image-Shop in den Arkaden des Willy-Brandt- Hauses herrscht seit Tagen gähnende Leere. Die roten Butterbrotdosen ("SPD - Genau mein Geschmack") und die Taschentücher ("Wählen statt Weinen") sind zu Ladenhütern geworden. Wenige Kilometer entfernt, in den Abgeordnetenbüros am Reichstag werden dagegen eifrig Kisten gepackt, von 222 Sitzen ist die Fraktion auf 146 geschrumpft. Das rasch auf den Weg gebrachte neue Personaltableau schien zunächst die geschockte Partei zu befrieden, doch am Wochenende werden Stimmen laut, die auf einen heißen Herbst hindeuten. Besonders der neue Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier muss aufpassen, dass ihn die vom Parteilinken Klaus Wowereit angeführte Bewegung nicht überrollt.
Der 12. bis 15. November ist in den Kalendern vieler Mitglieder dick angestrichen, der Bundesparteitag in Dresden dürfte ganz und gar kein langweiliger werden. Nachdem Berlins Regierender Bürgermeister Wowereit, der dort zu einem der vier stellvertretenden Vorsitzenden gewählt werden soll, zunächst seinen Landesverband mit Forderungen nach einer Neuausrichtung vorgeschickt hatte, meldet er sich nun selbst zu Wort. Wowereit schwingt sich zum Wortführer für eine radikale Abkehr von der in der Partei unbeliebten Agenda-Politik Gerhard Schröders - und Steinmeiers - auf. Mit dem Rückzug von SPD- Chef Franz Müntefering und dem bisherigen Vize Peer Steinbrück fehlen Steinmeier nun wichtige Unterstützer. Der künftige Parteichef Sigmar Gabriel fordert bereits von allen Beteiligten mehr Demut und vor allem: Teamarbeit.
Wowereit hat viele Pläne

Klaus Wowereit (r) im Gespräch mit Hannelore Kraft und Sigmar Gabriel.
(Foto: dpa)
Rente mit 67? Will Wowereit abschaffen und zurück zur Rente ab 65. Koalitionsverbot mit der Linken im Bund? Will Wowereit auf dem Parteitag kippen. Änderungen bei Hartz-IV? Will Wowereit schnell anstreben. Steinmeier hält dagegen, es dürfe keinen Linksruck geben. Er verweist darauf, dass die SPD viele Stimmen an Union und FDP verloren hat - insgesamt rund 1,4 Millionen. Was Steinmeier verschweigt: Mehr als 1,8 Millionen SPD-Wähler stimmten dieses Mal für Linke und Grüne. Und mehr als zwei Millionen SPD-Wähler von 2005 blieben gleich zu Hause. Baden-Württembergs Fraktionschef Claus Schmiedel sagt, der Hauptgrund für das schlechteste SPD-Ergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik sei das "unschlüssige Politikangebot".
Seit 1998 hat die SPD 10,2 Millionen Wähler verloren, die zentrale Frage für die Oppositionsarbeit wird sein, wie die einst so stolze Partei aus dem Tal herauskommt und wieder Wähler zurückgewinnt. Dafür wird es ein klares Angebot brauchen, um das nun gestritten wird. Vor allem die Öffnung zur Linken - bisher galt: in den Ländern ja, im Bund nein - wird für Debatten sorgen. Steinmeier will einen zu drastischen Schwenk vermeiden: Er sieht ganz wie sein Mentor Schröder nur mit einer starken Basis in der Mitte eine Chance, weiter Volkspartei zu sein.
Es rumort an der Basis
An der Basis rumort es vernehmlich, der Bezirksvorstand Hessen-Süd fordert, sich Zeit zu nehmen, auch für die Klärung des künftigen Kurses. "Aus dieser Krise wird sich die Partei nicht durch die beliebte Kombination aus einer handvoll Personalentscheidungen, flott formuliertem Grundsatzantrag und einem griffigen Politslogan herausarbeiten können", heißt es in einem Papier mit dem Titel "Wo ist die SPD? - Neustart für die Sozialdemokratie". Statt in Berliner Hinterzimmern Entscheidungen auszukungeln, müsse die Basis viel stärker eingebunden und gehört werden. Man müsse mehr "innerparteiliche Demokratie wagen" und geschlossener agieren. Mit Blick nach Berlin heißt es: "Wir dürfen nicht den Eindruck vermitteln, dass die SPD aus mehreren Parteien besteht."
Quelle: ntv.de, Georg Ismar, dpa