Pläne für Osttimors Zukunft Ramos-Horta ist zurück
20.05.2008, 12:54 UhrDrei Monate nach dem fast tödlichen Attentat ist der Friedensnobelpreisträger und Präsident von Osttimor, Jos Ramos-Horta, wieder voll im Amt und voller Pläne. Noch blass und mit verhaltener Stimme zählt er seine Prioritäten auf: "Wir müssen die Polizei und Armee neu organisieren, wir müssen uns ernsthaft um die Armutsbekämpfung kümmern mit Barzahlungen an die Bedürftigsten, und wir müssen in Infrastrukturprojekte investieren, die Arbeitsplätze schaffen", sagt Ramos-Horta (58) in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa in der osttimoresischen Hauptstadt Dili.
Der Präsident empfängt Gäste in seinem eleganten, im timoresischen Stil mit Holz, Bambus und einem schwarzen Dach aus Palmenfasern gebauten Haus am "Kennedy Boulevard". Sein Büro dort ist nur einen Steinwurf von der Straße entfernt, wo am 11. Februar die Schüsse fielen, die ihn fast das Leben kosteten. Die Umstände sind bis heute ungeklärt. Geschossen haben Rebellen. Gerüchte über ein Komplott anderer Politiker machen aber die Runde.
"Die Menschen sind zu ungeduldig"
Ramos-Horta redet darüber nicht. Ernst, in einem blauen T-Shirt mit der Aufschrift "Presidente", sitzt er hinter seinem Schreibtisch, und spricht lieber über die rosige Zukunft, die er für seine rund eine Million Landsleute sieht. Trotz der bürgerkriegsähnlichen Unruhen, die Osttimor im Frühjahr 2006 erschütterten. Vor allem die hohe Arbeitslosigkeit unter den jungen Leuten wurde dafür verantwortlich gemacht. Das Land ist nach wie vor bitterarm. "Die Menschen sind zu ungeduldig", sagt Ramos-Horta, Osttimor sei ja erst seit 2002 unabhängig. "Andere Entwicklungsländer sind 200 Jahre nach der Unabhängigkeit noch nicht so weit wie Osttimor heute", sagt er.
Osttimor war 400 Jahre portugiesische Kolonie, ehe es 1975 vom Nachbarn Indonesien besetzt und 24 Jahre drangsaliert wurde, mit mehr als 150.000 Toten. Dann sprachen sich die rund eine Million Einwohner bei einem Referendum 1999 für die Unabhängigkeit aus. Pro- indonesische Milizen liefen - unter den Augen des indonesischen Militärs - Amok. Sie schlugen alles kurz und klein, hunderte Menschen wurden ermordet. 70 Prozent der Infrastruktur wurden zerstört.
Eine indonesisch-osttimoresischen Wahrheits- und Versöhnungskommission sollte das aufarbeiten, um einen Schlussstrich zu ziehen. Ihr Bericht wird Ende Mai erwartet. Die meisten Indonesier haben alle Schuld von sich gewiesen. "Ich bin enttäuscht, dass viele indonesische Offiziere die Chance nicht wahrgenommen haben, ihre Schuld einzugestehen und sich zu entschuldigen", sagt Ramos Horta.
Che Guevara und Mao an der Wand
Der geschiedene Präsident lebt allein am Stadtrand von Dili. Er liest gerade "From Freedom to Future" von Nelson Mandela. Das Buch liegt auf dem Tisch auf seiner Terrasse, neben einem Stapel mit Zeitschriften, darunter auch "Men's Health". An der Wand hängen Che Guevara, John F. Kennedy, Mao und Filmposter der Klassiker "Casablanca" und "Der Pate". Im Fenster baumelt ein plüschiger Weihnachtsmann. Im Schatten unter den Passionsfrüchten reicht eine Angestellte Gästen Wasser auf dem Silbertablett.
Ein wohlhabendes Osttimor ist für Ramos-Horta nur eine Frage der Zeit. "Wir haben genug Geld", sagt er. "Mit unserem Öl und Gas haben wir enorme Ressourcen." Die Einnahmen aus der Förderung fließen in einen Petroleum-Fonds, der Ende März 2,6 Milliarden US-Dollar enthielt. "Es muss nur richtig eingesetzt werden." Und richtig investiert: Ramos-Horta ist nicht begeistert, dass die Fondsgelder in amerikanischen Regierungsanleihen festliegen. "Wir müssen das Geld neu investieren, es sollte in soliden Banken angelegt werden, zum Beispiel in deutschen", sagt er der deutschen Besucherin.
Investmentbank gründen
Eine weitere Investition aus dem Fonds will Ramos-Horta zu Hause tätigen: Er will eine Investmentbank gründen, die Einheimischen Kleinkredite anbietet. "Mit 100 Millionen Dollar könnten wir viel machen." Die ansässigen ausländischen Banken verlangten 15 Prozent Zinsen. Die Entwicklungsbank könnte mit sieben Prozent arbeiten, meint er, und damit die Wirtschaft stimulieren.
Der Präsident wirkt ernster als früher. Das gewinnende Lächeln, der lockere Charme, mit dem er Menschen in aller Welt jahrelang für sein Land einnahm, sind noch nicht zurückgekehrt. Ramos-Horta denkt inzwischen auch über die Zeit nach Ramos-Horta für Osttimor nach. Er weiß, dass er als Friedensnobelpreisträger und international erfahrener Diplomat für die Außenwirkung seines Landes unentbehrlich ist - noch. "In ein paar Jahren wird dieses Land friedlich und wohlhabend sein", sagt er. "Dann ist es nicht mehr so wichtig, Führungskräfte zu haben, die wissen, wie man auf internationaler Bühne spielt."
Von Christiane Oelrich, dpa
Quelle: ntv.de