Länder bieten Hilfe für Aussteiger Raus aus der Neonazi-Szene
03.05.2007, 15:11 UhrDie Tätowierungen überall an seinem Körper mussten weg. Der Mann im eleganten schwarzen Anzug, der seinen Namen aus Sicherheitsgründen nicht nennt, trug reihenweise verbotene Nazi-Symbole auf der Haut. Nun hat er sie mühsam mit harmlosen Motiven überdecken lassen. Andere Kleidung, andere Musik, andere Freunde -der ehemalige Rechtsextremist, Ende 20, hat der Szene den Rücken gekehrt. Mit Hilfe der Aussteigerhilfe Rechts des Landes Niedersachsen wagte der Neonazi-Anführer und rechtsradikale Schläger den langen Weg eines Neuanfangs. "Der Fall ist positiv abgeschlossen", sagt Bettina, Sozialpädagogin der Initiative.
Die Sicherheitsbehörden sehen sich derzeit mit einem Anstieg rechtsextremer Straftaten konfrontiert - im vergangenen Jahr kletterte die Zahl bundesweit auf einen neuen Höchststand. Die meisten Bundesländer, die private Initiative Exit Deutschland, aber auch der Bundesverfassungsschutz bieten Aussteiger-Programme an, um die Szene zu schwächen. Bundesweit sind von 2006 bis Januar 2007 nach Angaben des Verfassungsschutzes 110 Ausstiegswillige betreut worden, einige Fälle sind abgeschlossen.
In Niedersachsen hat die Aussteigerhilfe insgesamt 27 Straftäter seit Ende 2001 aus der rechten Szene heraus begleitet. Der "ausgestiegene" Neonazi, der zum "Kader" einer gewaltbereiten Kameradschaft gehörte, verprügelte anders Denkende und verbreitete rechtsradikale Hass-Botschaften. Etwa neun Jahre saß er im Gefängnis, erst Ende 2006 kam er frei. "Mein Leben bestand nur daraus, in der Szene aktiv zu sein. Ich war nur der Kameradschaft verantwortlich", sagt der Mann. Als er plötzlich Vater wurde, begann ein Umdenken. Noch im Gefängnis nahm er im Jahr 2003 Kontakt zur Aussteigerhilfe Rechts auf.
Der entscheidende Knackpunkt für den Ausstieg ist für die Fachleute eine Abkehr vom rechten Gedankengut. "Ich habe die Ideologie zu einem Teil von mir gemacht", erzählt der Aussteiger. Sozialpädagogin Bettina, die auch ihren ganzen Namen nicht nennen will, sah Filme mit ihm, diskutierte über Literatur und aktuelle politische Themen. "Er ist ein wirklich anderer Mensch geworden", sagt die Sozialarbeiterin nach dem Jahre langen Ausstiegsprozess.
Immer wieder aufkommende Kritik, Ausstiegswillige sollten als Gegenleistung auch für den Verfassungsschutz arbeiten, weisen die Behörden vehement zurück. Ein Sprecher des Bundesamtes für Verfassungsschutz sagt, eine Verbindung der Ausstiegshilfe für Rechtsextremisten mit der Informationsbeschaffung sei ausdrücklich ausgeschlossen worden.
Auf große finanzielle Unterstützung können Ausstiegswillige in der Regel nicht setzen. In Niedersachsen steht jährlich ein Topf mit insgesamt rund 5000 Euro zur Verfügung -damit können die Sozialpädagogen bei Umzügen, Führerschein-Prüfungen oder der Entfernung von Tätowierungen helfen.
Heute will der Niedersachse seine Erfahrungen an andere Jugendliche weitergeben. Er hält Vorträge an Universitäten und verschafft Berufsschullehrern einen Überblick über rechtsradikale Symbole und Musik. "Ich bin glücklich, es läuft stabil", sagt er. Vorsichtig muss er wegen möglicher Bedrohungen aber immer noch bleiben - gelten Aussteiger in der rechten Szene doch als "Verräter". Fußballstadien, in denen sich häufig auch Rechtsradikale treffen, hat er deshalb aus seinem Freizeitprogramm gestrichen.
Von Monika Wendel, dpa
Quelle: ntv.de