Dossier

Pomp und Gloria Rekord-Ansturm auf Washington

Dem Königtum haben die Amerikaner bei der Gründung ihrer Republik 1776 auf ewig abgeschworen. Alle paar Jahre aber zelebrieren die USA einen Rückfall in herrschaftliche Prachtentfaltung, die sich mit jeder Monarchie im alten Europa messen lassen könnte. Mit Pomp und Gloria feiert das Land seit mehr als 200 Jahren den Einzug jedes neu gewählten Präsidenten in Washington. Der Amtsantritt von Barack Obama am kommenden Dienstag dürfte dabei nach einhelligem Urteil der Experten alles in den Schatten stellen, was die Hauptstadt je erlebt hat.

Die Obamas kommen - und mit ihnen eine Rekordschar von bis zu zwei Millionen Anhängern, die den Amtseid des neuen Präsidenten auf den Stufen des Kapitols (Dienstag 18.00 Uhr MEZ) mit eigenen Augen verfolgen wollen. Washington zählt nur 600.000 Einwohner; noch nie haben sich so viele Menschen dort versammelt. Für die Verkehrsbetriebe und die 20.000 Sicherheitskräfte ist es ein Albtraum, für die restlos ausgebuchten Hotels der Stadt ein Segen, für die Obama-Anhänger der lange ersehnte Startschuss für eine neue politische Epoche.

"Stellen Sie sich die Olympischen Spiele, die Fußball-WM und das Baseball-Finale an einem Tag vor", beschreibt Publizistikprofessor Rich Hadley von der Universität Quinnipiac in New York die öffentliche Bedeutung des Ereignisses. "Und die Krönung der britischen Königin können Sie gleich noch dazupacken." Da mag ein wenig Übertreibung mit ihm Spiel sein, doch erinnert die Opulenz der Inauguration in Washington tatsächlich an die Royals im fernen London: Nach Amtseid und Antrittsrede wird Präsident Obama eine Militärparade vom Kapitol zum Weißen Haus anführen. Zwei Stunden soll das Spektakel dauern.

Washington atmet tief durch

Mit dem Einzug der Obamas verbinden viele in Washingtons High Society die Hoffnung auf eine Rückkehr des Hollywood-Glamours. Die ländlich-rustikalen Bushs haben nie so recht in die weltoffene Hauptstadt gepasst: Zu hausbacken fanden viele die First Lady Laura Bush, zu flegelhaft den Präsidenten George W. Bush. "Viel auftoupierte Haare und Cowboystiefel", wird hinter vorgehaltener Hand über die Bushs und ihre Texas-Clique gelästert.

Das junge Präsidentenpaar Obama verkörpert den Stilwechsel. Politikprofessor Robert Watson von der Lynn-Universität in Florida erwartet von Obamas Amtseinführung "eine beträchtliche Verjüngung der Stimmung" in Washington. "Alle vier Jahre bekommt Washington die Chance, tief durchzuatmen und neu zu beginnen", sagt er.

"Niemand wird heller strahlen als Michelle"

Gesellschaftlicher Höhepunkt der Amtseinführung sind die offiziellen Präsidentenbälle. Auf zehn Bällen werden sich die Obamas in der Nacht zu Mittwoch präsentieren. Großes Glamour-Potenzial hat die künftige First Lady Michelle Obama, die bereits als Stilikone vom Range einer Jacqueline Kennedy gehandelt wird. "Niemand wird heller strahlen als sie", prophezeit die Washingtoner Stylistin Lana Orloff, die einige Gäste der Bälle berät. "Alle Augen werden auf sie gerichtet sein, und wir können nicht abwarten zu sehen, was sie tragen wird."

Traditionell sind die Präsidentenbälle eine Sache der Reichen und Mächtigen. In einem Bruch mit der Tradition haben die Obamas aber auch zu einem "Nachbarschaftsball" in Washingtons größte Messehalle geladen. Mehrere tausend normale Bürger können hier zu günstigen Preisen den Machtwechsel feiern.

Wer keines der insgesamt 240.000 Tickets für Obamas Amtseinführung ergattern konnte, kann den Machtwechsel am einfachsten daheim vor dem Fernseher verfolgen. Der Sender NBC etwa will 21 Stunden am Stück live berichten. Für Nachtschwärmer empfiehlt sich ein Kneipenbesuch: Die Stadtverwaltung hat eigens die Sperrstunde aufgehoben, Gaststätten schenken Inaugurationsbier in Obama-Krügen aus. Die Zeit bis zum Erwachen in der tristen Realität am Mittwochmorgen kann also um ein paar Stunden hinausgezögert werden.

Quelle: ntv.de, Peter Wütherich, AFP

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