Bestandsaufnahme in Nahost Rice auf schwieriger Mission
14.01.2007, 15:12 Uhr"Da kommt die arme Condi nun schon zum 15. Mal in den Nahen Osten ohne neues Konzept und wird gleich mit fünf Friedensinitiativen konfrontiert." So sah ein rechtsgerichteter israelischer Abgeordneter die Nahostreise der amerikanischen Außenministerin Condoleezza Rice.
Die Initiative zu der Reise ging wohl auf die Saudis zurück. Die Machthaber in Riad, so die Beobachter, wünschen mehr amerikanisches Engagement in Nahost, um den Vormarsch des Iran und der Islamisten einzudämmen. So startete Rice erst mal in Richtung Jerusalem, um auf dem Weg über Ramallah, Jordanien, Ägypten und Saudi Arabien schließlich in Berlin Bericht zu erstatten. Denn Angela Merkel hatte ebenfalls Präsident George Bush gedrängt, wieder dort aktiv zu werden, wo die Amerikaner seit Oktober 2003 nach der Ermordung von drei ihrer Diplomaten im Gazastreifen kaum noch Präsenz zeigen. So soll auch dem Klischee genüge getan werden, dass (fast) alle Probleme der arabischen Welt, bis hin zu Irak, der iranischen Atombombe und instabilen Regimes gelöst werden könnten, wenn es erst einmal einen palästinensischen Staat gäbe.
Präambel der Road Map nicht erfüllt
Ihr erstes Treffen im Nahen Osten hatte Rice mit dem "Minister für strategische Angelegenheiten ", Avigdor Lieberman, von der rechtsgerichteten "Israel ist unser Haus"-Partei. Der konfrontierte sie mit dem "Friedensplan" eines israelischen Militäreinmarsches in den Gazastreifen. Nachdem die israelischen Soldaten den gründlich "gesäubert" hätten, sollten 30.000 Nato-Soldaten nachrücken. Nicht ganz so rechte Politiker mokierten sich über den Plan, der so blauäugig sei, wie die Augenfarbe der dänischen Nato-Soldaten, die dann die Palästinenser im Gazastreifen in Schach halten sollten.
Verteidigungsminister Amir Peretz hatte ebenso einen "Friedensplan" entworfen, den niemand so richtig ernst nimmt. Erst einmal sollten die illegalen Vorposten der Siedlungen geräumt werden und am Ende sollte einen palästinensischer Staat entstehen. Die parteiinternen Kontrahenten fragten Peretz, warum er denn nicht den Befehl gebe, die Siedlungsvorposten zu räumen. Schließlich sei er doch der Verteidigungsminister.
Über den angekündigten Friedensplan der Außenministerin Zipi Livni sind kaum Einzelheiten bekannt. Bei der Pressekonferenz mit "meiner Freundin Zipi", erklärte die Amerikanerin immerhin, wieso die längst totgesagte Road Map, die Straßenkarte zu einer Wiederaufnahme des Friedensprozesses, immer noch der einzig gültige Plan sei: "Weil er international akzeptiert ist und von Israel wie von den Palästinensern angenommen wurde." Doch jeder weiß, dass die Road Map nicht abheben konnte, weil beide Seiten sich weigerten, wenigstens die Präambel zu erfüllen: Die Palästinenser konnten und wollten den Terror nicht stoppen und die Israelis haben inzwischen zwar den gesamten Gazastreifen geräumt, nicht aber die in der Road Map erwähnten illegalen Siedlungsvorposten aufgelöst.
"Tiefes Vertrauen" in Abbas
Die Palästinenser und linksgerichtete Israelis kamen deshalb auf die Idee, diesen Punkt und alle anderen Zwischenphasen zu überspringen und gleich zum Ziel voranzuschreiten: die Errichtung eines palästinensischen Staates. Entsprechend erwartete Präsident Mahmud Abbas von den Amerikanern, ohne weitere Umschweife den gewünschten Staat zu gründen, dessen Grenze aber nicht entlang des von Israel errichteten Sperrwalls gehen müsse, sondern entlang der "grünen Linie".
Trotz der bürgerkriegsähnlichen Zustände in den Palästinensergebieten, der Schwäche des Präsidenten und seiner Machtlosigkeit gegenüber der Hamas äußerte Rice "tiefes Vertrauen" in Abbas, weil er sich um die Bedürfnisse des palästinensischen Volkes kümmere und "die Extremisten zurückwerfe". Abbas machte ihr klar, dass Zwischenlösungen oder ein "provisorischer Staat mit provisorischen Grenzen" keine realistische Lösung bringen könnten. Hamas-Sprecher Razi Hamad, prophezeite sogleich ein Scheitern der amerikanischen Bemühungen, Abbas mit Geld und Waffen bei seinem Kampf gegen die Hamas zu stützen: "Die Palästinenser lassen sich nicht mit Geld kaufen."
Derweil hat der ägyptische Präsident Hosni Mubarak in einem Brief an den amerikanischen Präsidenten erklärt, dass die Roadmap lange genug gescheitert sei und deshalb durch eine neue Initiative ersetzt werden müsse. Doch ehe Rice ihre Reise fortsetzt, wird sie noch den israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert treffen, dessen Popularität ungefähr so hoch ist wie die Popularität von Bush in den USA. Olmert hat infolge des Raketenbeschusses aus Gaza und wegen der Raketenangriffe der Hisbollah aus Libanon einen weiteren "einseitigen Rückzug" aus dem Westjordanland ausgesetzt und noch keinen neuen "politischen Horizont" für die Palästinenser entworfen. Während seines Gesprächs mit Rice wird Olmert wohl eher über die Möglichkeit nachdenken, demnächst von der Polizei wegen Korruptionsverdachts verhört zu werden.
Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Quelle: ntv.de