Aufmarsch im Ural Russisch-chinesisches Manöver
15.08.2007, 12:23 UhrMit dem Aufmarsch tausender Soldaten im Ural demonstrieren China, Russland und vier zentralasiatische Republiken militärische Stärke. Nahe der russischen Stadt Tscheljabinsk, üben die Streitkräfte der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) mit Jagdbombern und schwerer Gefechtstechnik noch bis Freitag einen gemeinsamen Einsatz.
Zumindest für Russland ist diese als Anti-Terror-Manöver ausgegebene "Friedensmission 2007" der Beginn einer neuen, militärischen Ausrichtung der SCO.
Wenn die Staatschefs von Russland, China, Kasachstan, Kirgistan, Usbekistan und Tadschikistan an diesem Donnerstag (16. August) in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek zusammenkommen, geht es nicht mehr vorrangig um eine wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit. Nicht erst nach dem mutmaßlichen Bombenanschlag auf einen Zug zwischen Moskau und St. Petersburg mit 60 Verletzten steht der Anti-Terror-Kampf ganz oben auf der Tagesordnung.
Die russische Tageszeitung "Nesawissimaja Gaseta" sieht in der 2001 gegründeten SCO bereits eine Nachfolgerin für das Militärbündnis Warschauer Pakt, zu Sowjetzeiten das Gegenstück des Ostens zur NATO. Die SCO habe eine große militärische Zukunft, schrieb die Zeitung unlängst. Dagegen betonte der Gastgeber des siebten Gipfeltreffens, der kirgisische Staatschef Kurmanbek Bakijew, dass die SCO nicht als Gegengewicht zur NATO angelegt sei. "In keinem Fall geht von der SCO eine militärische Bedrohung aus", sagte Bakijew.
Gleichwohl machte der russische Generalstabschef Juri Balujewski deutlich, dass nach russischer Lesart eine sichere wirtschaftliche und politische Entwicklung ohne militärischen Schutz unmöglich ist. "Die politische Lage in der Welt entwickelt sich sehr dynamisch, die alten Bedrohungen und Ängste halten sich, und neue entstehen", sagte Balujewski. Dabei geht es nicht nur um den Kampf gegen islamistische Terroristen, die etwa nach Angaben Kirgistans und Kasachstans in Zentralasien zunehmend an Einfluss gewinnen.
Innerhalb der Sechsergruppe hatte im vorigen Jahr auch der russische Vizeregierungschef Sergej Iwanow - damals als Verteidigungsminister - zur militärischen Geschlossenheit aufgerufen. China schwieg. Doch wie Russland erhöht auch die Volksrepublik die Militärausgaben. Obschon es im sibirischen Teil der Russischen Föderation immer wieder zu Reibereien mit Peking kommt, sind sich beide Seiten in ihrer Ablehnung einer Weltordnung unter Vorherrschaft der USA einig. Angesichts der US-Pläne für eine Raketenabwehr in Mitteleuropa kündigt Moskau seit Wochen immer neue Militärinitiativen an. Von der Stationierung neuer Rakenabwehrsysteme bis zur Stationierung einer Kriegsflotte im Mittelmeer ist die Rede.
Der chinesische Botschafter in Russland, Liu Guchang, wies Vorwürfe zurück, die SCO werde zu einem neuen Militärblock. Es gehe nur um den Schutz der regionalen Sicherheit und Stabilität. Auch die Militärübung im Ural diene dem gemeinsamen strategischen Handeln. Davon wollen sich der russische Präsident Wladimir Putin und der chinesische Staats- und Parteichef Hu Jintao am Freitag persönlich überzeugen.
Ein SCO-Militärblock würde nicht nur zwei Atommächte umfassen. Mit mehr als vier Millionen Soldaten würden die sechs Länder über mehr Potenzial verfügen als die NATO, meint die "Nesawissimaja Gaseta". "Die Ansprüche der USA und der NATO auf die Weltführung müssen einige Gegengewichte haben", sagte Witali Schlykow, Mitglied im russischen Rat für Außen- und Verteidigungspolitik. Russland brauche Verbündete - "erst recht in einer so komplizierten Region wie Asien". Die Aktivitäten der NATO in Asien seien sehr intensiv, sagte der Vize-Direktor des Moskauer USA- und Kanada-Instituts, Pawel Solotarjow. Deshalb müssten die SCO-Länder zum Schutz ihrer Interessen militärisch effektiv handeln können.
Generalstabschef Balujewski fordert mit Nachdruck eine einheitliche militärisch-politische Linie der SCO, auf deren Territorium nicht nur viele Bodenschätze zu heben sind, sondern auch jede Menge regionale Konflikte schwelen. In den sechs Ländern lebe ein Viertel der Weltbevölkerung, sagte Balujewski. "Und wir als Militärs sollten sie schützen vor Terrorismus, Separatismus, Drogen- und Waffenhandel und anderen extremistischen Handlungen."
Von Ulf Mauder, dpa
Quelle: ntv.de