Dossier

"Das neue Jahrzehnt" SPD startet Vorwahlkampf

Mit miesen Umfragewerten im Rücken startet die SPD in den Vorwahlkampf. Ihre Spitzenleute Frank-Walter Steinmeier, Franz Müntefering, Peer Steinbrück und Andrea Nahles touren dieser Tage quer durch die Republik und sprechen in mehr als 40 Städten über sozialdemokratische Visionen für "Das neue Jahrzehnt". Beobachter der Veranstaltungen sind zunächst irritiert: Es ist in Zeiten der Krise eine Art "Wahlkampf alternativ" - ohne Polemik und die sonst üblichen Attacken auf den politischen Gegner, ohne Luftballons und Klamauk.

"Die Menschen wollen nicht, dass wir aus den Parteien uns in einer solchen Zeit das Gesicht zerkratzen", sagt SPD-Chef Müntefering dazu. Vor dem überwiegend jugendlichen Publikum in einem Berliner Kinosaal wirkt das Werben des Parteivorsitzenden für klassische sozialdemokratische Werte zunächst ein wenig altväterlich: Solidarität statt Ellenbogengesellschaft, Menschlichkeit statt Egoismus und Profitgier, Integration statt Ausgrenzung. "Wie wollen wir in Zukunft leben?", fragt Müntefering und beschwört eine "soziale Bürgergesellschaft", in der sich Junge wie Alte, Starke wie Schwache engagieren und gegenseitig unterstützen.

Wärmende Botschaften

Ob im Kino in Berlin, vor Facharbeitern in Chemnitz, mit Künstlern in Oberhausen oder an diesem Montag bei der Hamburger Verbraucherzentrale: Müntefering wirbt für die SPD mit wärmenden Botschaften in kalten Krisenzeiten. Die Menschen sollten aufhören mit dem Gemecker über "die Politiker da oben", sondern sich selbst einmischen - auch in den Parteien.

Viele reagieren nachdenklich. Etwa jeder Zweite im Publikum hat kein Parteibuch und ist von der SPD persönlich eingeladen worden, etwa weil er in einer Initiative für Organspenden mitwirkt, sich mit anderen um einsame Menschen im Krankenhaus kümmert, eine Hausaufgaben-Hilfe für benachteiligte Schüler organisiert, ein Ehrenamt im Sportverein oder in der Kirche hat.

Kein böses Wort

Kein böses Wort fällt über den politischen Konkurrenten in den zwei Stunden mit Referat, Talk-Runde und anschließendem Empfang bei Brezeln und Bier. Nicht ein einziges Mal erwähnt Müntefering den Name einer anderen Partei.

Ähnlich der Auftritt von Kanzlerkandidat Steinmeier beim Auftakt der Gesprächsserie in Hamburg: Keine acht Monate sind es bis zur Wahlentscheidung am 27. September, und Steinmeier geht nicht ein Mal der Name der von ihm herausgeforderten CDU-Kanzlerin Angela Merkel über die Lippen. Der Außenminister bleibt ganz Diplomat und Staatsmann, empfiehlt sich und seine Partei für unsichere Zeiten: "2009 wird kein Jahr für Mätzchen sein, sondern für Ernsthaftigkeit."

Beim Besuch des ältesten deutschen Werkzeugmaschinenherstellers, der Union in Chemnitz, kann es Müntefering dann aber doch nicht ganz lassen und nutzt die Gelegenheit zu Wortspielereien. "Der Union hier wird es weiter gutgehen - der anderen Union aber nicht." Ein großer Teil der Zuhörer in der Maschinenhalle sind hoch qualifizierte Facharbeiter. Als die weltweit agierende Fabrik 1996 vor dem Aus stand, kratzten viele der Beschäftigten jeweils 10.000 DM zusammen und übernahmen ihre Firma selbst. Trotz Krise hat die Union heute noch volle Auftragsbücher.

"Es gibt kein Flügelschlagen mehr"

"Der Konflikt mit der politischen Konkurrenz wird schon noch kommen", sagt Müntefering, wenn aus der eigenen Partei heraus Rufe nach härterer Abgrenzung und stärkerer Profilierung kommen. Noch ist seit dem Desaster vom Schwielowsee mit dem Rückzug Kurt Becks von der Parteispitze kein halbes Jahr vergangen. Gleichwohl zeigen sich die Sozialdemokraten heute geschlossen wie lange nicht mehr. "Es gibt kein Flügelschlagen mehr", versichern derzeit Rechte wie Linke in der SPD.

Die Gesprächsserie soll das SPD-Wahlprogramm vorbereiten, das Steinmeier am 19. April in Berlin vorstellen wird. Hinter den Kulissen wird schon kräftig an dem Entwurf gefeilt. Größere Konflikte sind bisher nur bei einem einzigen Punkt absehbar: Das weitere Vorgehen der SPD in Sachen Bahn-Privatisierung. Der ehemalige SPD- Abgeordnete Peter Conradi, der bereits auf dem Hamburger Parteitag vor gut einem Jahr erfolgreich Front gegen den Börsengang der Deutschen Bahn machte, ist bei Treffen der Parteilinken derzeit ein gefragter Gast.

Quelle: ntv.de, Karl-Heinz Reith, dpa

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