Dossier

Kein Ende der Exzesse Saufen bis zum Krankenhaus

Deutschlands Jugend nimmt weniger Drogen - die Bilanz der Drogenbeauftragten Sabine Bätzing hätte so schön ausfallen können. Doch die unverminderten dramatischen Saufexzesse von 12- bis 17-Jährigen lassen die Erfolge im Kampf gegen Rauchen fast untergehen. Auch wenn der Anteil der Jugendlichen, die Komatrinken praktizieren, sinkt: "Wir sehen das eben nicht als Entwarnung", sagt Bätzing. Wer abends in deutschen Großstädten U- oder S-Bahn fährt, weiß was sie meint. Die Flasche Bier oder Schnaps ist mitunter fast zum normalen Kulturgut geworden.

Knapp 20.000 Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 20 Jahren landen nach Angaben des Statistischen Bundesamts pro Jahr im Krankenhaus, weil sie sich beim Kampftrinken vergiften. "Dieser Trend ist ungebrochen", sagt die Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Elisabeth Pott. Fast jeder vierte männliche Jugendliche und jedes sechste Mädchen haben schon mindestens einmal Erfahrung mit "Komasaufen" gesammelt. Das ergab eine Studie der Bundeszentrale unter rund 3000 Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Sie wollen Spaß, fühlen sich selbstbewusster, erotisch anziehender oder machen mit, weil es alle machen.

Gesundheitlich gefährlich

Dabei kommt nicht nur Hochprozentiges ins Glas: Auf dem ersten Platz beim regelmäßigen Alkoholtrinken von Jugendlichen steht Bier, gefolgt von selbst gemixten Cocktails und Longdrinks, Bier- und Wein-Mischgetränken, Wein, Schnaps und Alkopops. Rund sechs Prozent der 12- bis 17-Jährigen trinken so viel, dass es selbst für Erwachsene gesundheitlich riskant wäre. Das sind für Männer mehr als 24 Gramm reiner Alkohol pro Tag, bei Frauen mehr als 12 Gramm. Die Menge entspricht bei Männern etwas mehr als einem halben Liter Bier und bei Frauen einem 0,3 Liter-Glas. Zwei Gläser sind es bei manchem Jugendlichen pro Tag. "Viele Eltern halten das für harmlos", sagt Pott.

Bei Hauptschülern kommt das Komatrinken fast dreimal häufiger vor als bei Gymnasiasten. Dennoch sieht die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung nicht einen so deutlichen Zusammenhang wie beim Rauchen. Blauen Dunst gibt es bei Hauptschülern weitaus öfter als am Gymnasium.

Wirte in die Pflicht nehmen

Die Bundesregierung will das Kampftrinken trockenlegen. "Wir brauchen neue Konzepte." Die Drogenbeauftragte will Anfang 2009 einen Aktionsplan vorstellen. Sie hält eine niedrigere Promillegrenze im Straßenverkehr von 0,3 statt 0,5 für sinnvoll und pocht darauf, dass Wirte und Handel keinen Alkohol an Jugendliche verkaufen. Die Wirtschaft soll ebenfalls ihren Beitrag leisten, meint Bätzing und kritisiert, dass die Selbstkontrolle nicht immer funktioniert. Für ihre Forderung nach jungen Testkäufern bekommt sie Unterstützung von der Union.

Doch es geht nach Ansicht der Regierung um mehr: um einen Wandel in der Gesellschaft. "Vor allem bei der jungen Generation hat ein Bewusstseinswandel hin zum Nichtrauchen stattgefunden." Den erkennt Bätzing allmählich auch beim Alkohol. Nichtsdestotrotz: Beim Konsum von Alkohol liegt Deutschland noch immer unter den Top Ten. Weltweit.

Marc-Oliver von Riegen, dpa

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen