Wo einst Honecker und Breschnew landeten Schönefeld wird 50
30.06.2005, 13:59 UhrIn den achtziger Jahren schätzten ihn auch junge Rucksacktouristen aus dem Westen. Lange vor Lastminute- und Billigfliegerboom begannen vom Zentralflughafen der DDR in Berlin-Schönefeld viele ihre Reise in den Süden. Dort, wo auch Erich Honecker und Leonid Breschnew zu Staatsbesuchen starteten und landeten, konnte man für knapp 500 DM mit der DDR-Staatslinie Interflug beispielsweise nach Athen düsen. Für westliche Verhältnisse damals geradezu ein Schnäppchen. Mit seinem Standard war der Airport jedoch weit hinter westlichem Niveau: Die Fluggäste mussten meist zu Fuß übers Rollfeld zum Flieger gehen. Ganz zu schweigen von den langwierigen Passkontrollen.
Vor genau 50 Jahren, am 30. Juni 1955, wurde in Schönefeld der zivile Flugverkehr aufgenommen, damals noch durch die Deutsche Lufthansa der DDR. Vor und während des Krieges fertigten dort die Henschel-Werke Flugzeuge. Gleich nach 1945 begannen die Sowjets mit der Demontage und Sprengung aller Anlagen. Doch schon ein Jahr später verlegten sie ihre Luftstreitkräfte von Berlin-Johannistal nach Schönefeld. Fast zeitgleich wurde auch der "Befehl Nr. 93" zum Aufbau eines zivilen Flughafens ausgegeben. Doch erst zehn Jahre später gewann dieser mit der Gründung der DDR-Fluggesellschaft Interflug an Bedeutung.
Vor der Wende war Schönefeld der wichtigste und größte Airport im Ostteil Deutschlands. Von hier flogen die Fluglinien fast aller Ostblockstaaten, darunter auch die sowjetische Aeroflot. Vom Westen oft als Provinzflughafen belächelt, hieß er in der DDR Zentralflughafen. Doch im Vergleich zu Airports wie Frankfurt, London oder Paris waren die Passagierzahlen in Schönefeld eher bescheiden. Das höchste Aufkommen wurde 1989 mit rund 2,9 Millionen Fluggästen erreicht.
Von Schönefeld aus wurden die Hauptstädte fast des gesamten Ostens angeflogen. Darüber hinaus ging es von hier auch nach Kuba, Bangkok, Athen, Rom, Amsterdam und Wien. Für die Devisen bringenden Westreisenden gab es ein spezielles Transit-Terminal. Staatsgäste wurden in der separat liegenden "Regierungsabfertigung" empfangen, dort, wo Breschnew und Co. auch ihre Brüderküsse austauschten.
Anfang der 90er Jahren wollte die Lufthansa im Einheitstaumel Schönefeld zum gigantischen Drehkreuz machen. Wenig später verwarf die ehemalige Staatslinie ihre Pläne. Seitdem ringt Berlin um Anschluss an die erste Liga des internationalen Luftverkehrs. Das Gezerre um einen neuen Hauptstadtflughafen dauert nun bereits fast 15 Jahre.
Für rund zwei Milliarden Euro soll Schönefeld zum Großflughafen Berlin Brandenburg International ausgebaut werden. Nun soll der Airport für bis zu 30 Millionen Reisende nach mehreren Verschiebungen 2011 fertig sein. Derzeit liegen aber noch tausende von Klagen gegen das Prestigeprojekt vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig vor. Im April verhängten die Richter einen vorläufigen Baustopp bis zu einer endgültigen Entscheidung 2006.
Einen wahren Boom bescheren gegenwärtig die Billigflieger dem nur knapp 30 Kilometer von Berlin-Mitte entfernten Flughafen. Allein im vergangenen Jahr konnte die Zahl der Fluggäste mit 3,4 Millionen Passagieren nahezu verdoppelt werden. Für dieses Jahr werden fünf Millionen angepeilt. Schönefeld hat sich damit zum am schnellsten wachsenden Verkehrsflughafen in Deutschland gemausert.
Seit April 2004 hat die britische Easyjet hier ihr Drehkreuz, seit Anfang Juni dieses Jahres nun auch die Lufthansa-Tochter Germanwings. Mehr als 70 Ziele in Europa werden mittlerweile angeflogen. Darüber hinaus geht es von Schönefeld auch nach Kenia, in die Dominikanische Republik, Kuba oder Sri Lanka. Und die Passagiere fliegen längst nicht mehr wie einst die jungen Westreisenden nur mit Rucksack.
Von Maren Martell, dpa
Quelle: ntv.de