Nach zehn Jahren Flucht vor Gericht Schreiber muss sich verantworten
18.01.2010, 09:03 UhrEr hatte als Schlüsselfigur in der Spendenaffäre die CDU in die schwerste Krise ihrer Geschichte gestürzt: Nach zehn Jahren Flucht steht Karlheinz Schreiber vor Gericht.

Als Lobbyist für Flugzeug- und Panzerverkäufe soll Schreiber rund elf Millionen Euro Steuern hinterzogen haben.
(Foto: AP)
Das neue Jahr beginnt in Augsburg mit einem juristischen Paukenschlag. Nach zehn Jahren Flucht steht eine der schillerndsten Figuren der Politik-Ära von Franz Josef Strauß und Helmut Kohl vor Gericht, der Ex-Waffenlobbyist Karlheinz Schreiber. Der Mann, der als Schlüsselfigur in der Spendenaffäre die CDU in die schwerste Krise ihrer Geschichte gestürzt hatte. Dem Landgericht Augsburg liegt eine 165 Seiten starke Anklageschrift vor. Hauptsächlich wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe und Beihilfe zum Betrug muss sich Schreiber verantworten.
Der brisante Vorwurf der Politiker-Bestechung soll nicht mehr verhandelt werden. Der Vorsitzende Richter der 9. Kammer, Rudolf Weigell, vertritt die Auffassung, die Bestechungsvorwürfe gegen Schreiber seien verjährt. So sieht es auch die Verteidigung. "Das ist rechtlich eine klare Sache, die Bestechung ist verjährt", sagt Schreibers Münchner Verteidiger Stefan von Moers. Ganz anders die Augsburger Staatsanwaltschaft: "Für uns ist die Bestechungstat nicht verjährt", beharrt der Leitende Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz. In dieser Frage zeichnet sich ein juristisches Tauziehen möglicherweise bis zum Bundesgerichtshof ab.
Schmähungen gegen Ermittler
Der 75-jährige Schreiber war Anfang August nach zehn Jahren erbittertem Widerstand aus Kanada an die deutsche Justiz ausgeliefert worden. Seitdem war es auffallend ruhig um den Lobbyisten geworden, der früher vom vermeintlich sicheren Kanada aus Drohungen gegen Politiker und Schmähungen gegen Ermittler ausgestoßen hatte. Als Lobbyist für Flugzeug- und Panzerverkäufe in den Jahren 1988 bis 1993 soll er umgerechnet rund elf Millionen Euro Steuern hinterzogen haben.
Juristische Kreise in Augsburg rätseln, welchen Verlauf das bis Mitte Mai 2010 anberaumte Verfahren nehmen wird. Alles deutet eher auf einen zügigen Prozess hin, in dessen Mittelpunkt wohl die millionenschwere Steuerhinterziehung stehen wird. Sollte die Kammer an der Verjährung des Bestechungsvorwurfes festhalten und mögliche Beweisanträge der Staatsanwaltschaft dazu ablehnen, fiele jede politische Brisanz des Prozesses weg. Laut Schreiber soll der damalige CDU-Chef und jetzige Finanzminister Wolfgang Schäuble im Jahr 2000 von ihm persönlich 100.000 Mark erhalten haben, was Schäuble immer bestritten hat. Nach derzeitigem Stand wird diese vermeintliche "Spende" in Augsburg wohl nicht zur Sprache kommen.
Ein Deal ist denkbar
Spannend bliebe in diesem Fall, wie sich Ex-Rüstungsstaatssekretär Ludwig-Holger Pfahls als Zeuge vor Gericht verhält. Pfahls, der 2005 wegen Steuerhinterziehung und Vorteilsnahme rechtskräftig zu zwei Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt wurde, hatte gestanden, von Schreiber zwei Millionen Euro auf ein Schweizer Tarnkonto angenommen und nicht versteuert zu haben. Unvergessen ist seine Schilderung, dass er einmal 500.000 Mark verlangt und Schreiber ihm das Geld in einem Briefumschlag auf den Tisch geworfen habe mit der Bemerkung: "Da hast Du das Geld und halte endlich die Schnauze." Pfahls hatte auch erklärt, er sei nicht der einzige gewesen, der von Schreiber bezahlt worden sei.
Denkbar ist, dass Schreiber über seine Anwälte an einem Deal mit Anklage und Gericht bastelt. Er soll noch immer sehr vermögend sein, so dass er wohl in der Lage wäre, seine millionenschwere Steuerschuld zu begleichen. Mit einem Teilgeständnis über sein Schweizer Tarnkontensystem würde er eine aufwändige Beweisführung unter Umständen unnötig machen und könnte im Gegenzug mit einem deutlichen Strafnachlass rechnen. Bislang hat Schreiber aber alle Vorwürfe als unzutreffend zurückgewiesen. Doch die Ruhe, die ihn in seiner Neun-Quadratmeter-Zelle unweit des Augsburger Doms umgibt, trügt vermutlich. "Es ist wesensfremd, dass Schreiber still und untätig in seiner Zelle sitzt", sagt sein Verteidiger von Moers. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass hinter den Kulissen kräftig verhandelt wird.
Quelle: ntv.de, Nikolaus Dominik, dpa