Dossier

Finanzkrise trifft Föderalismusreform Schuldenbremse auf Agenda

Die Leichtigkeit, mit der im Moment über weitere Milliardenausgaben gesprochen wird, holt ein fast schon vergessenes Reformvorhaben der Koalition zurück auf die Tagesordnung. Die Föderalismuskommission von Bund und Ländern, die seit zwei Jahren erfolglos über eine wirksamere Schuldenbremse und ein Konzept zum Abbau der enormen Altlasten feilscht, könnte mit dem zweiten Konjunkturpaket doch noch einen Erfolg verbuchen.

Die Spitzen von Union und SPD haben in ihrer Koalitionsrunde am vergangenen Montag vereinbart, im Zuge des Konjunkturpakets II eine neue Schuldenregel im Grundgesetz festzuschreiben. Das lässt die Föderalismus-Reformer um SPD-Fraktionschef Peter Struck und Baden- Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger hoffen, bis zur Bundestagswahl im Herbst doch noch zu einem Ergebnis zu kommen.

Angesichts des Banken-Rettungspakets von 480 Milliarden Euro mit ungewissen Belastungen für die Staatskassen und der Konjunkturpakete I und II wird über eine Zahl kaum noch gesprochen: Rund 1,5 Billionen Euro Schulden lasten auf Bund, Ländern, Kommunen und Sozialkassen. Mit Finanzkrise, Rezession und Konjunkturprogrammen wächst der Schuldenberg rasant, den nachfolgende Generationen abtragen müssen.

Defizit-3-Prozent-Obergrenze könnte überschritten werden

Sollte die Koalition ein zweites Konjunkturpaket von 50 Milliarden Euro beschließen, dürfte Deutschland spätestens 2010 beim Defizit die 3-Prozent-Obergrenze des EU-Stabilitätspaktes überschreiten - erstmals seit 2005 wieder.

Im vergangenen Jahr war Deutschland mit einem leichten Milliarden- Überschuss in den Staatskassen noch der finanzpolitische Musterknabe bei der Neuverschuldung in Europa. Das ließ etliche EU-Partner dazu hinreißen, von Berlin ein weit größeres finanzielles Engagement gegen die Wirtschaftskrise einzufordern. Nun nimmt die Koalition noch mehr Geld in die Hand und könnte schon im nächsten Jahr wie andere große EU-Volkswirtschaften wieder als Defizitsünder am Pranger stehen.

Warnungen vor ausufernder Überschuldung

Den Klagen über angeblich zu kleine Konjunkturpakete und zu wenig Geld gegen die Krise nach dem Motto "Klotzen statt Kleckern" folgen nun reichlich Warnungen vor einer ausufernden Verschuldung. Es ist offen, welche Folgen ein Überschreiten der Maastricht-Defizitgrenze hat und ob Sanktionen zu befürchten sind. Der EU-Stabilitätspakt lässt den EU-Staaten und der Kommission aber durchaus Spielraum, auf solch eine außergewöhnliche Finanzkrise und Rezession zu reagieren.

Über diesen Spielraum streiten Union und SPD sowie Bund und Länder seit zwei Jahren in der Föderalismuskommission. Die Union pochte auf eine generelle Null-Verschuldung mit möglichst wenigen strengen Ausnahmen, die SPD lehnte das ab und wollte begrenzte Schulden- Spielräume, um den Staat auch in Krisen handlungsfähig zu halten. Oettinger und Struck plädierten grundsätzlich dafür, dass der Staat in einer Rezession neue Schulden aufnehmen darf. In guten Jahren müssten diese aber abgebaut werden.

Nicht nur die Landtagswahlen machten Struck und Oettinger einen Strich durch die Rechnung. Ihr ursprünglicher Fahrplan war bald nicht mehr zu halten. Wegen Finanzkrise und Rezession gab es zunehmend Zweifel, ob die Reform mit einer wirksamen Schuldengrenze überhaupt noch von der großen Koalition zu schaffen ist. Zuletzt hieß es, die Kommission werde am 5. Februar ihre Vorschläge vorlegen.

Jetzt geht es womöglich doch wieder etwas schneller. In den nächsten Tagen wollen Union und SPD über neue Schuldenregeln und einen Tilgungsplan für die neuen Kredite reden. Von einer "Schuldengrenze mit Biss", wie sie der frühere bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein kämpferisch vor der Landtagswahl gefordert hatte, ist inzwischen kaum noch die Rede.

Andr Stahl, dpa

Quelle: ntv.de

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