Dossier

Wer darf zum EU-Gipfel? Skurriler Streit in Polen

Beim bevorstehenden EU-Gipfel in Brüssel warten an diesem Mittwoch auf Polens Repräsentanten zwei Plätze. Kurz vor dem Beginn des Treffens steht allerdings immer noch nicht fest, wer genau sie besetzen wird: Denn Staatspräsident Lech Kaczynski ist fest entschlossen, an der Begegnung der 27 europäischen Staats- und Regierungschefs teilzunehmen. Ministerpräsident Donald Tusk will dies mit allen Mitteln verhindern und lieber einen Fachminister mit nach Brüssel nehmen. Der skurrile Streit, so fürchten Regierungspolitiker, könnte Polens Position bei Gesprächen über das aus polnischer Sicht wichtige EU-Klimaschutzpaket gefährden.

Er halte es für "durchaus normal", dass "sowohl Staatsoberhaupt als auch Premier" am EU-Gipfel teilnehmen, sagte Kaczynski am Sonntag. "Ich sage: Wir fahren zusammen", erklärte das nationalkonservative Staatsoberhaupt. Falls er fahre, würde er "selbstverständlich" die polnische Delegation leiten, hatte er bereits vor einigen Tagen unterstrichen.

"Geben Sie auf, fahren Sie nicht "

Tusks Regierung ist von den Reiseplänen des Präsidenten gar nicht begeistert. Außenminister Radoslaw Sikorski flehte Kaczynski im Rundfunk am Montag an, auf die Reise nach Brüssel doch noch zu verzichten. "Geben Sie auf, fahren Sie nicht, schwächen Sie nicht die Verhandlungsposition des Landes auf diesem wichtigen Gipfeltreffen."

Weil diesmal Themen wie die Finanzkrise und der Umweltschutz auf der Tagesordnung stünden, sei vor allem Wirtschafts- und Finanzkompetenz gefragt, so Sikorski. Den zweiten Stuhl sollte daher der Finanzminister besetzen. Das Klimapaket sei gefährlich für Polen, betonte der Außenminister und erinnerte daran, dass Kaczynski 2007 den für Polen ungünstigen EU-Regelungen zugestimmt habe. Polens Stromerzeugung basiert fast ausschließlich auf Kohle, deshalb sieht sich Warschau durch die EU-Klimavorschläge über Gebühr belastet. Die Regierung will weitreichende Änderungen im Klimapaket durchsetzen.

Pilot plötzlich erkrankt

Bei Versuchen, Kaczynski von der Brüssel-Reise abzubringen, scheint Tusk jedes Mittel recht zu sein. Das Kabinett beschloss in der vergangenen Woche, dass nur der Ministerpräsident die Zusammensetzung der Delegation für EU-Treffen bestimmen könne. Für den Präsidentenflug sei zudem keine Maschine verfügbar, weil ein Pilot plötzlich erkrankt sei, erläuterte Verteidigungsminister Bogdan Klich.

Konflikte zwischen Präsident und Regierungschef hatte es schon früher reichlich gegeben. Schuld daran ist vor allem die polnische Verfassung, die die Kompetenzen in der Außenpolitik nicht klar abgegrenzt. Beim EU-Gipfel zu Georgien im September gab Tusk dem Präsidenten den Vortritt. Diesmal aber will er hart bleiben. Sonst werde Tusk zum Gehilfen des Staatsoberhauptes herabsinken, warnte ein Kommentator der Tageszeitung "Dziennik".

Kaczynski nicht kompentent?

Vorwürfe, er sei nicht kompetent, wies Kaczynski entschieden zurück. Nicht nur das Umweltpaket, sondern auch die Lage in Georgien und der EU-Reformvertrag sollten in Brüssel besprochen werden, argumentierte das Staatsoberhaupt. Sein Büro hat deshalb bereits eine Chartermaschine reservieren lassen, damit Kaczynski nicht auf die Gnade der Regierung angewiesen ist. Erwogen werde auch ein Mitflug mit Litauens Präsident Valdas Adamkus, schrieb "Dziennik".

Der Soziologe Pawel Spiewak sagt derweil voraus, dass dieses "Boxerduell" bis zur Präsidentenwahl 2010 andauern werde. "Sowohl Tusk als auch Kaczynski brauchen den Zoff", meint Spiewak. Beide nutzten die Konflikte für ihren Wahlkampf.

Quelle: ntv.de, Jacek Lepiarz, dpa

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