Dossier

Irak-Tagebuch (3) Söldner verbreiten Angst

Wenn wir auf Bagdads Straßen unterwegs sind, begleitet uns die Angst vor Entführungen oder versteckten Sprengsätzen am Straßenrand. Doch nach ein paar Tagen hat man sich daran gewöhnt, die Angst gehört zu diesem Land einfach dazu. Doch es gibt eine weitere Gefahr und die ist meist nicht nur laut, sondern noch unberechenbarer. Es sind die mehr als 50.000 Söldner, die im Irak arbeiten.

Ihre Gruppe ist die zweitstärkste neben den amerikanischen Soldaten. Sie hat im Irak weit mehr Mitglieder, als alle Soldaten aus nichtamerikanischen Ländern zusammen. Juristisch gesehen agieren die Privat-Kämpfer in einer Grauzone. Sie sollen zwar nach dem Willen der amerikanischen Regierung nicht an Kriegshandlungen teilnehmen. Doch sie werden immer mehr zu einem Ersatz für Soldaten.

Zu Beginn des Krieges bewachten Söldner wie beispielsweise von der amerikanischen Firma Blackwater lediglich hochrangige Personen wie den Zivilverwalter des Irak Paul Bremer, sicherten Objekte und fungierten als Transportbegleiter. Doch mittlerweile übernimmt diese Privatarmee, die im Irak Milliarden verdient, die teilweise für den Wiederaufbau des Landes gedacht sind, Aufträge der Spezialeinheiten. Diese Kämpfer im Dienste der amerikanischen Armee übernehmen mittlerweile auch prekäre Einsätze anstelle der regulären Soldaten. Denn sie haben einen großen Vorteil gegenüber einem vereidigten Soldaten.

Sie unterliegen keinerlei Gerichtsbarkeit. Sie sind vor dem Gericht Privatleute und können daher nicht vor das Kriegsgericht gebracht werden. Aber da sie im Auftrag der Regierung arbeiten können sie auch nicht von einem Zivilgericht belangt werden. Egal, ob sie Menschen verwunden oder sogar töten, was in mehreren hundert Fällen im Irak passiert ist - sie genießen völlige Immunität. Ihnen droht höchstens die Entlassung. Und dieser Zustand wird von der amerikanischen Regierung nicht nur gebilligt, sondern gefördert.

Und genau so benehmen sich die Söldner im Irak teilweise auch. Wir erleben, wie sie auf der Gegenfahrbahn mit Blaulicht, Sirenen und aufgesetzten Maschinengewehren auf die entgegenkommenden Autos zu rasen. Wer nicht schnell genug ausweicht wird von ihren großen gepanzerten Fahrzeugen brutal abgedrängt. Nicht selten sind in der Vergangenheit dabei Schüsse gefallen. Wie viele unschuldige Iraker dabei ums Leben kamen, darüber verweigern die Firmen jede Auskunft. Und niemand zwingt sie bislang dazu, Stellung zu nehmen.

Auch wir müssen immer wieder Platz machen. Wenn die Konvois vorbeirasen bleiben die Mündungen ihrer Gewehre ständig auf uns gerichtet. Jetzt bloß keine missverständliche Bewegung, denke ich nur und bin jedes Mal froh, wenn diese Cowboys außer Sichtweite sind. Das Söldnerleben lockt die fragwürdigsten Gestalten an. Sie kommen aus aller Welt, gehörten früher meist Spezialeinheiten ihrer jeweiligen Armeen an. Sie verdienen bis zu 15.000 Dollar im Monat. Und es gibt viele schwarze Schafe unter ihnen. Verhörspezialisten im Bagdader Gefängnis Abu Ghraib waren beispielsweise Angestellte einer Privatfirma. Einer von ihnen soll eine Hauptrolle in dem Folterskandal gespielt haben. Die multinationale ArmourGroup beschäftigte einen ehemaligen britischen Marineinfanteristen, der 1995 für zehnfache Beihilfe zum Mord zu vier Jahren Gefängnis verurteilt worden war.

Dennoch haben Regierungen immer weniger Hemmungen, ihr Gewaltmonopol an sie abzutreten. Und das oft mit schlimmen Folgen: Männer von Blackwater, der größten Söldner-Firma, töten im September vergangenen Jahres am 16. September in Bagdad elf Zivilisten. Diesmal erreichte der weltweite Aufschrei auch den amerikanischen Kongress. Es gab zum ersten Mal eine offizielle Untersuchung über die Praktiken der Söldner. Der Report ist erschütternd: Die Männer töten teilweise im Vollrausch. Sie schießen wild aus Helikoptern und Fahrzeugen. Nur ganz selten bleiben sie stehen, um sich um Verletzte zu kümmern.

Der Kongress berichtet später von weiteren 195 Schiessereien, in die Blackwater seit 2005 verwickelt war. In 163 Fällen eröffneten ihre Söldner das Feuer zuerst: "mit genereller Geringschätzung für das Leben von Irakern", so der Report. Die Kongress-Kritik trifft auch das Außenministerium. Es habe über eine Milliarde US-Dollar gezahlt und bei der Vertuschung geholfen. Söldner wurden aus dem Land geflogen, Opferfamilien mit einigen Tausend Dollar abgespeist. Keine guten Voraussetzungen, um den Frieden im Irak voranzubringen.

Wie groß die Angst vor den Männern mit ihren Gewehren ist, spüren wir täglich auf den Straßen. Sowie eine Sirene zu hören ist, fahren die Autos an den Straßenrand und lassen die rasenden Konvois vorbei. Erreichen sie vor uns einen Checkpoint halten die Iraker und auch wir mindestens 100 Meter Abstand. Alle bleiben einfach mitten auf der Straße stehen, um ihnen ja nicht zu nahe zu kommen.

Quelle: ntv.de

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