Dossier

Spannender als Fußball Spanien im Wahlfieber

Die Parlamentswahlen in Spanien könnten die spannendsten seit Jahrzehnten werden. Wenn die Meinungsforscher Recht behalten, steht Ministerpräsident Jos Luis Rodrguez Zapatero am 9. März vor einer Zitterpartie. Seine Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) geht nach den meisten Umfragen mit einem Vorsprung von weniger als drei Prozentpunkten ins Rennen.

"Noch nie seit Spaniens Rückkehr zur Demokratie wurde ein so knappes Ergebnis erwartet", schrieb die Zeitung "El Mundo". Einzelne Institute geben den Sozialisten allerdings ein Plus von fünf Prozentpunkten.

In einem ungewöhnlich hart geführten Wahlkampf ringen Zapatero und sein Herausforderer Mariano Rajoy von der konservativen Volkspartei (PP) um jede Stimme. Erstmals seit 15 Jahren kam sogar ein TV-Duell der Spitzenkandidaten zustande. Die Politiker lockten dabei mehr Spanier vor die Bildschirme als die Fußballer von Real Madrid oder vom FC Barcelona.

Wirtschaftliche Blüte und ETA-Terror

Dabei ist es eigentlich verwunderlich, dass Zapatero nach vierjähriger Amtszeit nicht einem klaren Sieg entgegen geht. Die Trümpfe dazu hätte er: Der 48-Jährige ist mit Abstand der populärste Politiker. Mit seinem Charme und seiner Gewandtheit kommt er besser an als der etwas bieder wirkende Rajoy. Zudem regierte Zapatero Spanien in einer Zeit wirtschaftlicher Blüte. Die Wachstumsrate war während der gesamten Legislaturperiode mit über drei Prozent eine der höchsten in der Euro-Zone.

Wenn es für die Sozialisten dennoch knapp zu werden droht, muss etwas schiefgelaufen sein. Dies gilt vor allem für den Friedensprozess im Baskenland. Die Zapatero-Regierung hatte mit der Untergrundorganisation ETA Verhandlungen aufgenommen in der Hoffnung, die Terroristen zu einer Abkehr von der Gewalt bewegen zu können. Das Vorhaben ging schief, die ETA kündigte ihre "Waffenruhe" auf und verübte neue Anschläge.

Die fehlgeschlagenen Verhandlungen hatten eine Vergiftung des politischen Klimas zur Folge. Zapatero musste sich vorhalten lassen, den Anti-Terror-Pakt zwischen der PSOE und der PP gebrochen und die gemeinsame Front der Demokraten zerstört zu haben. Der Regierungschef entgegnete: "Ich muss mich nicht dafür entschuldigen, dass ich den Frieden gesucht habe."

Zapatero legte sich aber auch auf anderen Gebieten mit den Konservativen an. Er führte für Wahllisten Frauenquoten ein, erleichterte Scheidungen und erlaubte Eheschließungen von Homosexuellen. Die katholischen Bischöfe rieten davon ab, für die PSOE zu stimmen.

Mobilisierung der Wähler entscheidend

Der Ausgang der Wahl wird größtenteils von der Höhe der Wahlbeteiligung abhängen. Wird es Zapatero gelingen, seine Anhänger zur Stimmabgabe zu bewegen? Als Zapatero und Rajoy sich vor vier Jahren gegenüberstanden, war die Wahl von den Anschlägen auf vier Madrider Pendlerzüge beeinflusst, bei denen 191 Menschen getötet wurden. Viele Spanier votierten damals für den Außenseiter Zapatero, weil sie die Konservativen dafür bestrafen wollten, dass diese fälschlicherweise die ETA für den verheerenden Terroranschlag verantwortlich machen wollten.

Diesmal wird Zapatero es schwieriger haben, die PSOE-Wähler zu mobilisieren. Wenn sowohl die PSOE als auch die PP eine klare Mehrheit verfehlen, wird man in der Wahlnacht möglicherweise noch gar nicht erfahren, wer die neue Regierung bilden wird. Bei einem knappen Ergebnis dürften kleinere Regionalparteien den Ausschlag geben. Eine landesweit verbreitete Partei der liberalen Mitte gibt es in Spanien nicht. Bei der Suche nach Verbündeten sind die Sozialisten im Vorteil. Die PP hat es sich mit den meisten Regionalparteien verdorben. Sie hatte in den vergangenen Jahren als "Wahrer der Einheit Spaniens" auftreten wollen und sich in einzelnen Regionen gegen eine Erweiterung der Autonomie-Rechte gesträubt.

Von Hubert Kahl, dpa

Quelle: ntv.de

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