Rollenspiele in den USA Spektakuläre Personalien
26.11.2008, 07:41 UhrDie Rollen sind an diesem Tage klar verteilt. Während US-Präsident George W. Bush in Washington einen Truthahn begnadigt, hält Barack Obama exakt zur gleichen Zeit in Chicago eine Pressekonferenz zur Wirtschaftskrise. Viel sinnfälliger könnte man die gegenwärtige Situation in den USA kaum illustrieren. Der eine kann nicht mehr und arbeitet sich an symbolischen Feiertagsgesten ab, der andere darf noch nicht - und handelt trotzdem. Die Zeit bis zum 20. Januar, dem Tag der offiziellen Amtsübergabe, will der designierte Präsident nicht ungenutzt verstreichen lassen.
Selten war die Lage der Vereinigten Staaten so trostlos, und selten wurde ein kommender Präsident mit solchen Vorschusslorbeeren bedacht. Die Kommentatoren überschlagen sich mit Lobeshymnen. Obama habe trotz der schlingernden Wirtschaft seine Coolness aus dem Wahlkampf konserviert und kreiere offensichtlich ein beispielloses All-Star-Team. "Eine bessere Mannschaft", so der ehemalige Präsidentenberater David Gergen, in Diensten von Nixon bis Clinton, "habe ich noch nie gesehen."
Verlängerung nicht ausgeschlossen
Die jüngste Entscheidung: Der Republikaner Robert Gates, der amtierende Verteidigungsminister, soll auch unter Obama seinen Posten im Pentagon behalten. Geplant ist eine mindestens einjährige Übergangsphase, eine Verlängerung nicht ausgeschlossen. Weitere Highlights, die zum Teil noch bestätigt werden müssen: James Jones, ehemaliger NATO-Oberbefehlshaber, wird Nationaler Sicherheitsberater. Timothy Geithner, der New Yorker Notenbankchef, Finanzminister. Eric Holder, ehemaliger Vizejustizminister Clintons, nun Chef des Justizapparates. Und Janet Napolitano, Gouverneurin Arizonas, Heimatschutzministerin. Getoppt wird alles durch Obamas Rivalin im Vorwahlkampf, Hillary Clinton. Sie soll das State Department übernehmen und dem 44. Präsidenten außenpolitisch den Rücken freihalten. Obama selbst kann so die Wirtschaft zur Chefsache erklären - und gleichzeitig die Partei hinter sich vereinen.
Diese spektakuläre Personalie ist auch die umstrittenste. Im Wahlkampf hatte Hillary ihrem innerparteilichen Kontrahenten jedwede Erfahrung für das Präsidentenamt abgesprochen und ihn gar als "naiv bezeichnet. Das Obama-Team konterte: Nur, weil Hillary an der Seite ihres Mannes zahlreiche Länder bereist habe, könne sie keine außenpolitische Kompetenz reklamieren. Glaubt man diesen Worten, macht also jetzt der naive Präsident die inkompetente Präsidentengattin zur Chefin des Außenamtes!? "Wahlkampf ist Wahlkampf", heißt es dagegen, "und Clinton habe nach ihrer Niederlage, wie immer ganz pragmatisch, Obama uneingeschränkt unterstützt." Ein Unwohlsein bleibt. "Man sollte nie jemanden einstellen", schreibt der frühere UNO-Botschafter John Bolton, "den man nicht wieder feuern kann."
Eines zeigt die Berufung Clintons in jedem Falle: Barack Obama scheut sich nicht, ein Team aus meinungsstarken Top-Leuten um sich zu versammeln. Die Krise als Katalysator? Jedenfalls zählen viele die Tage bis zum 20. Januar. Die Meinungsspalten der Zeitungen sind voll mit Ratschlägen. George W. Bush, so heißt es beispielsweise, solle seinem Land einen letzten Dienst erweisen, und am besten heute noch zurücktreten. Zum Wohle des Volkes.
Quelle: ntv.de