Gewaltaktion der Kosovo-Serben Spontan oder gelenkt?
17.03.2008, 19:21 UhrDie "spontane Volksgewalt" der Serben im Kosovo, die mit der Parole "die Volksseele kocht" begründet wird, ist für viele von der Regierung in Belgrad geplant und wohldosiert. Schon die UN-Kosovo-Verwaltung und die Schutztruppe KFOR sprachen in den letzten Tagen von einem "gut orchestrierten und planvollen Vorgehen". In den ersten Reihen der serbischen Demonstranten standen Kinder und Frauen sowie alte Männer, von hinten wurden die Ordnungskräfte mit Wurfgeschossen attackiert. Bei der Gewalt rund um das Kreisgericht in der Stadt Mitrovica wird die Belgrader Zeitung "Danas" am Montag noch deutlicher: "Dahinter stehen einige Institutionen des Staates Serbien."
Nach Lesart seiner Kritiker steckt der serbische Regierungschef Vojislav Kostunica hinter den Unruhen. Jedenfalls hatte der Nationalkonservative schon früher jede Gewalt seiner Landsleute entschuldigt. Das seien normale Reaktionen auf die von Serbien bekämpfte Unabhängigkeit des Kosovos. Auch in Mitrovica sei den Serben einmal mehr Unrecht getan worden, die sich nur gegen den "lügenhaften Staat auf serbischem Territorium gewandt haben", klagte er am Montag.
Kostunicas Strategie im Kosovo
In der Tat deuten viele Indizien darauf hin, dass Kostunica im Kosovo eine eigene Strategie verfolgt. Zunächst brannten serbische "Kriegsveteranen" zwei Grenzübergänge zwischen Serbien und dem Kosovo nieder. Kostunicas Mitarbeiter fanden lobende Worte. Dann übernahm die serbische Staatseisenbahn unter Regie eines Kostunica-Sprechers illegal 60 Kilometer Schienenstrang in Nordkosovo. Hunderte serbische Polizisten und Staatsbedienstete quittierten unter Belgrader Regie ihren Dienst in allen Kosovo-Institutionen. Zuletzt die Gewalt rund um das von Serben besetzte Gericht in Mitrovica.
Über die Rolle des serbischen Geheimdienstes BIA, der von Kostunicas Vertrauensleuten geführt wird, kann nur spekuliert werden. In jedem Fall bestreitet niemand, dass die BIA traditionell im Norden Kosovos besonders aktiv ist. Dass die größte serbische Zeitung "Novosti", die mit Karikaturen im üblen Stil der Nazi-Zeitung "Der Stürmer" die Albaner verteufelt, von einem Kostunica-Mann geführt wird, rundet das Bild nur ab.
Wiedereingliederung Kosovos als Wahlkampfthema
Am 11. Mai stehen Serbien vorzeitige Parlamentswahlen ins Haus und Kostunicas DSS-Partei kämpft gegen einen dramatischen Einbruch. Sie könnte leicht von ehemals 16 Prozent auf die Hälfte schrumpfen, prognostizieren Meinungsforscher. Der Ministerpräsident rechnet sich dennoch als Zünglein an der Waage Chancen aus, auch wenn alle großen Parteien einen neuen Regierungschef Kostunica ausschließen.
Der seit 2004 regierende Kostunica hat die Wiedereingliederung Kosovos und die Blockade der weiteren Zusammenarbeit mit der Europäischen Union (EU) zu seinem zentralen Wahlkampfthema gemacht. Er dürfte daher alles unternehmen, um Kosovo nicht vergessen zu machen angesichts der krisengeschüttelten Wirtschaft und der rapide wachsenden sozialen Probleme. In jedem Fall passt es in sein Kalkül, dass der jüngste Staat Europas einmal mehr in den Schlagzeilen steht.
Von Thomas Brey, dpa
Quelle: ntv.de