Auf die Welle folgt der Krieg Sri Lanka ohne Zukunft
17.01.2008, 17:07 UhrAls der Tsunami Ende 2004 die Küsten Sri Lankas verwüstete, schienen die Gräben für kurze Zeit überbrückbar zu sein: Tamilen-Rebellen der Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) und singhalesische Soldaten halfen sich gegenseitig in der Stunde der Not. Internationale Hilfsorganisationen konnten unbeschränkt und überall arbeiten. Seit gut zwei Jahren eskaliert die Gewalt aber wieder, der Waffenstillstand ist offiziell beendet. Sri Lanka steht vor einem Bürgerkrieg, unter dem besonders Zivilisten leiden werden. Sie sind dringend auf ausländische Hilfswerke angewiesen - deren Arbeit durch den Konflikt aber immer schwerer wird.
Das gilt vor allem für jene Landesteile im Norden der Insel, die die Tamilen-Rebellen kontrollieren. Für die internationalen Hilfsorganisationen, die auch im LTTE-Gebiet aktiv sind, ist die Arbeit ein heikler Balanceakt. Nationalisten im Süden, in dem die singhalesische Bevölkerungsmehrheit lebt, schüren immer wieder regelrechte Kampagnen gegen die Ausländer, denen sie vorwerfen, die LTTE zu unterstützen. "Das Umfeld ist sehr schwierig, das Umfeld ist sensibel", sagt ein Mitarbeiter einer westlichen Hilfsorganisation, der ungenannt bleiben möchte. Ihre Arbeit im Norden, wo die Not am größten ist, will die Organisation trotzdem nicht einstellen.
Menschen in Rebellengebiete auf sich gestellt
"Die Situation im Norden ist düster", sagt auch der Landesdirektor des deutschen Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) in Sri Lanka, Matthew Todd, der ASB arbeitet ebenfalls im Rebellengebiet. "Es mangelt an allem." Wiederaufbauarbeiten nach der Tsunami-Flutkatastrophe, die rund 40.000 Menschen auf der Insel das Leben kostete, sind durch den Konflikt erschwert worden. Die Regierung hat die Einfuhr etwa von Zement, Eisenstangen oder Treibstoff in die von der LTTE kontrollierte Region beschränkt, aus Angst davor, die Aufständischen könnten die Materialien oder den Sprit selber nutzen. Teile des Rebellengebietes sind außerdem umkämpft - und zu unsicher für die Helfer geworden.
Das gilt etwa für Vadamarachchi auf der nördlichen Halbinsel Jaffna. Hier wollte der ASB mit dem Schweizerischen Arbeiterhilfswerk und der norwegischen Volkshilfe knapp 1200 Häuser für Tsunami-Opfer errichten, elf waren bereits fertig, die anderen im Bau. Die Menschen in den Notunterkünften freuten sich auf den Umzug in ihre neuen vier Wände. Die Baustellen lagen im LTTE-Gebiet, wenige Kilometer von der Front entfernt. Die Kämpfe flammten wieder auf, die Gegend wurde nach Todds Angaben von der Armee beschossen. Statt ein neues Zuhause zu beziehen, flohen die Menschen. Schweren Herzens stellten die Helfer das mehrere Millionen Euro teure Projekt im vergangenen Oktober ein. "Es ist wirklich unglaublich traurig", sagt Todd.
Immer wieder Flucht
Auch bei der Deutschen Welthungerhilfe liegen Projekte im LTTE-Gebiet auf Eis. Regionaldirektor Dirk Altweck weiß von Menschen im Norden, die durch die Gewalt bei dem seit 25 Jahren andauernden Kampf der LTTE für einen eigenen Tamilen-Staat und durch den Tsunami "fünf, sechs, manche zehn Mal vertrieben wurden". Sie lebten nun wieder in der Ungewissheit, ob sie in ihren Dörfern bleiben könnten - oder ein weiteres Mal bepackt mit dem Notwendigsten fliehen müssten. "Die Stimmung ist sehr negativ", sagt Altweck. Die Armee hat keinen Zweifel daran gelassen, dass sie die Menschen im Norden "befreien" will. Schon wenige Stunden vor dem Ende des Waffenstillstands begannen Soldaten den Vormarsch auf das LTTE-Gebiet.
Altweck war zur Zeit des Tsunami schon in Sri Lanka. Er hat damals "die große Solidarität" unter den Überlebenden beobachtet - völlig gleich, ob es sich um Tamilen oder Singhalesen handelte. "Die ethnische Zugehörigkeit spielte keine Rolle." Die Menschen im Norden der Insel hätten nach dem Waffenstillstandsabkommen von Anfang 2002, das jetzt beendet wurde, und nach den Flutwellen, die weltweite Hilfe auslösten, "eine Zukunft für sich gesehen", sagt Altweck. "Dass das jetzt in Frage gestellt wird, das ist eine traurige Entwicklung."
Von Can Marey, dpa
Quelle: ntv.de