Eine schöne Geste Steinmeiers Nächte
05.05.2007, 15:17 UhrVon n-tv Nahost-Korrespondent Ulrich W. Sahm
Frank-Walter Steinmeiers Übernachtung im feinen Jacir-Hotel in Bethlehem war die schönste Geste, die der deutsche Außenminister den Palästinensern machen konnte. Seit Jahren ziehen es ausländische Politiker vor, im israelischen Jerusalem zu nächtigen und nur zu einem kurzen Abstecher nach Ramallah zu reisen.
Das altehrwürdige Patrizierhaus, das heute zur Kette der Intercontinental Hotels gehört, mit wunderschönen, hundert Jahre alten Deckenmalereien wurde drei Wochen vor Ausbruch der Intifada im September 2000 eingeweiht. Es steht lediglich einen "Steinwurf" entfernt vom Grabmal der biblischen Erzmutter Rachel.
Mit Ausbruch der Intifada lieferten sich Palästinenser und Israelis vor dem Hotel Straßenschlachten. Es floss viel Blut. Schwaden von Tränengas und schwarzer Rauch verbrannter Reifen machten das Hotel jahrelang unbewohnbar. Inzwischen wieder hergerichtet diente es dem deutschen Außenminister als Herberge während seines anderthalb-tägigen Besuchs in den palästinensischen Autonomiegebieten.
Inzwischen versperrt allerdings eine 10 Meter hohe Betonmauer den Blick auf das heilige Grabmal, wodurch Steinmeier mit seiner Anwesenheit den Palästinensern eine doppelte Symbolik lieferte, nämlich in ihrem Territorium, im Schatten der Mauer, übernachtet zu haben.
Die erst seit kurzem amtierende und fließend deutsch sprechende Tourismusministerin Khouloud Diabes "war ganz aus dem Häuschen" vor Freude über Steinmeiers Besuch, wie es ein deutsches Delegationsmitglied beschrieb. Sie erwartet sich von Steinmeiers Übernachtung und Visite in der Geburtskirche einen Aufschwung des darbenden Tourismus in der Geburtsstadt Christi.
Vor dem ältesten christlichen Gotteshaus, der Geburtsbasilika in Bethlehem wartete ein "Empfangskomitee", bestehend aus einem griechischen und einem armenischen Popen, sowie zwei Franziskanern. Doch zu dem angekündigten "Gespräch" mit christlichen Kirchenvertretern kam es in dem Gedränge nicht. Fast eine Stunde lang ließ sich Steinmeier von dem Lehrer an der deutschen Talitha Kumi Schule, Issa (Jesus) Zaka, die 36 uralten Säulen, die byzantischen Mosaiken und einen Taufstein aus dem dritten Jahrhundert erklären. Steinmeier stellte kurze sachliche Fragen. Nachdem er vom griechischen Teil der Basilika zur Grotte herabgestiegen war, wo ein silberner Stern die Stelle markiert, an der Jesu Krippe gestanden habe, erklomm er die steilen Stufen zum armenischen Teil hinauf.
Ein armenischer Priester mit typischem schwarzen Spitzhut begrüßte stumm den deutschen Außenminister. Da er kein Wort Englisch verstand, musste die Tourismusministerin Steinmeiers Frage zu den Unterschieden der griechischen und armenischen Theologie übersetzen. Eine Antwort bekam er von dem Priester nicht.
Steinmeier beendete seinen Rundgang in der Katharinenkirche der Franziskaner. Sie war vor etwa hundert Jahren neben der Geburtskirche errichtet worden. Die Katholiken verfügen in der alten Basilika weder über Rechte noch über eine eigene Kapelle. Steinmeiers Gefolge, rund hundert Delegationsmitglieder, Begleiter, Journalisten, Sicherheitsleute und Kameramänner verstörten eine große Gruppe indischer Pilger. Die wollten eigentlich Gottesdienst feiern. Deren Priester standen schon am Altar und putzten eifrig ihre Goldgefäße, während Steinmeier und Gefolge mit lautem Gerede die Jesuspuppe in einem Seitenalter bewunderte und sich dabei ablichten ließ. Die Inder hatten in Bethlehem Souvernirs erstanden, Kreuzchen, Heiliges Wasser und Rosenkränze. In in lila, blaue und gelbe Plastiktüten verpackt, hatten sie diese zu einem hohen Stapel vor dem Altar aufgetürmt. Ein junger Inder kam und erklärte den deutschen Journalisten, dass die Souvenirs so den Segen der Priester erhalten sollten.
Im Kreuzgang vor der Katharinenkirche gab Steinmeier eine Pressekonferenz. Er äußerte sich beeindruckt von palästinensischen Wirtschaftsleuten, mit denen er ab Abend zuvor gesprochen hatte. Trotz der Lage seien sie nicht verzagt. Deutschland wolle "punktuell" den Palästinensern bei Wirtschaftsprojekten helfen und nicht mehr nur "Armutsbekämpfung" betreiben durch direkte Überweisungen an Gehaltsempfänger. Nach einem Gespräch mit Präsident Mahmoud Abbas geht es dann weiter nach Israel, zu Treffen mit Premierminister Ehud Olmert und Außenministerin Zipi Livni am Sonntag.
Doch nicht alle Palästinenser waren begeistert. Die Deutschen hatten dem Bethlehemer Bürgermeister Victor Batharse ausdrücklich "verboten", Steinmeier zu begrüßen und ihm die Hand zu drücken. Batharse ist Mitglied der PFLP, aus Sicht der Europäer eine Terrororganisation. Aus Protest hatte der Bürgermeister ein riesiges dreisprachiges Spruchband zwischen die Bäume auf dem Krippenplatz spannen lassen. Auf Deutsch stand da: "Wer auch immer die Stadtverwaltung Bethlehems boykottiert, der ist in der Geburtsstadt Christi nicht willkommen."
Quelle: ntv.de