Münteferings Entscheidung Stimmen zum Rücktritt
13.11.2007, 19:01 UhrDer Rückzug Franz Münteferings aus seinen Regierungsämtern löste auf allen Seiten Respektbekundungen und Bedauern aus. Er wird als großer Politiker und Stabilisator der Koalition gewürdigt. Nach Einschätzung der Linkspartei und der FDP habe sein Rückzug jedoch neben persönlichen auch politische Gründe. Müntefering hatte seine Entscheidung mit der schweren Erkrankung seiner Frau begründet.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): "Franz Müntefering war ein Stabilisator. Er stand für die Vernunft in der SPD. Er war ein politisches Schwergewicht, und ich habe gut mit ihm zusammengearbeitet." Merkel würdigte, dass der Arbeitsminister aus persönlichen Gründen seinen Posten aufgeben wolle.
Der Rücktritt Münteferings ist nach Einschätzung der SPD-Linken Andrea Nahles eine "Zäsur" für die Partei und die große Koalition. Es werde aber keine Abstriche an den politischen Zielen des Vizekanzlers geben. "Die Müntefering-Agenda - die bleibt". Nahles betonte, dass sie Münteferings Rückzug auch persönlich sehr bedaure. "Er gehört zu den großen in der Partei". Über einen möglichen Nachfolger wollte sie nicht spekulieren. Sie betonte allerdings, der Platz des Parteivorsitzenden Kurt Beck bleibe vorerst in Rheinland-Pfalz.
Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, hat die Rücktrittankündigung von Franz Müntefering mit Bedauern zur Kenntnis genommen. Er könne nur hoffen, dass Münteferings Nachfolger genauso engagiert für Mindestlöhne kämpfe wie der scheidende Minister. "In dieser Frage war er immer ein verlässlicher Partner für uns", sagte Sommer.
Der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber sagte: "Als traditioneller Sozialdemokrat hat er den Wandel der Zeit erfasst und trotz innerparteilicher Angriffe die Reformnotwendigkeit immer gesehen."
Die Grünen haben dem Entschluss Münteferings, aus familiären Gründen zurückzutreten, Respekt gezollt. "Der Rücktritt von Franz Müntefering hat unseren Respekt ... Wir wünschen ihm und vor allem seiner Frau alles Gute", sagte Fraktionschef Fritz Kuhn. "Die große Koalition verliert ihren wichtigsten Modernisierungspolitiker und die Erdung, die der SPD und der Regierung fehlt." Müntefering sei in Bezug auf Reformen der entscheidende Politiker der Koalition gewesen. Sein Rücktritt sei eine Schwächung der Regierung und der SPD.
Münteferings Parteigenossen zeigten sich bestürzt. Der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Harald Ringstorff (SPD), sagte, Müntefering habe sich als Vizekanzler, Arbeitsminister und in seinen Parteiämtern große Verdienste erworben. Er bleibe "ein Stück sozialdemokratisches Urgestein".
Auch nach Einschätzung der Linken hat Münteferings Rücktritt nicht nur familiäre sondern auch politische Ursachen. Der Links-Fraktionsvorsitzende Oskar Lafontaine sagte, Müntefering habe den Mindestlohn bei der Post durchsetzen wollen. "Er ist mit diesem Vorhaben gescheitert und hat daraus die politischen Konsequenzen gezogen." Vor diesem Hintergrund verdiene Münteferings Entscheidung Respekt, so Lafontaine.
FDP-Generalsekretär Dirk Niebel erklärte: "Bei allem Respekt vor familiären Gründen - dass dieser Rücktritt prompt nach dem Koalitions-Desaster der vergangenen Nacht erfolgt, zeigt, dass er auch politische Gründe hat."
Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt: "Franz Müntefering war im Verlauf vieler Jahre, die wir zusammen gearbeitet haben, für mich stets ein verlässlicher und glaubwürdiger Ansprechpartner. Es liegt in der Natur der Sache, dass wir nicht immer einer Meinung waren. Aber auf sein Wort war Verlass und sein nüchterner sachlicher Stil war und ist im politischen Alltagsgeschäft wohltuend."
Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU): "Es fehlt mit Sicherheit etwas, weil er war aus meiner Sicht ein wirklich zuverlässiger und guter Partner." Er sehe die Stabilität aber "überhaupt nicht" gefährdet. Die Koalition müsse allerdings ihren Wählerauftrag erfüllen und den Reformkurs beibehalten.
Quelle: ntv.de