Von Gürteln und Gurken Stoiber kämpft gegen Bürokratie
24.06.2008, 17:37 UhrEr ist ganz der Alte. Ein Dreivierteljahr nach seinem Abgang als CSU-Chef und Ministerpräsident hält Edmund Stoiber erstmals wieder eine Rede im bayerischen Landtag. An alter Wirkungsstätte erläutert er seinen Kampf gegen die Brüsseler EU-Bürokratie. Und wie eh und je ist auch diese Aufgabe außerordentlich. Seine eigene Arbeitsgruppe preist Stoiber vor dem Europa-Ausschuss als "Anlaufstelle für Hoffnungen im Bürokratieabbau". Allerdings ist das Interesse der Medien größer als das der Kollegen Abgeordneten: 14 Politikern sitzen im CSU-Fraktionssaal zwei Dutzend Journalisten gegenüber. Drei Ausschuss-Mitglieder fehlen - alle von der CSU.
Der frühere Europakritiker hat sich vom Saulus zum Paulus gewandelt. Unter Stoibers Regie heizte die CSU selbst über Jahre die Europaskepsis an. Inzwischen macht sich der zum CSU-Ehrenvorsitzenden Beförderte Sorgen um fehlende Akzeptanz der Europäischen Union bei den Bürgern. "Brüssel wird irgendwie negativ begleitet als Moloch."
Kampf gegen den Amtsschimmel
Zu den Hauptursachen zählt Stoiber die mangelnde Durchschaubarkeit Brüssels - und die Bürokratie. Deshalb sieht er in seiner Aufgabe auch zentrale politische Bedeutung. Ein erfolgreicher Kampf gegen den Amtsschimmel könnte der EU zu größerer Beliebtheit bei den Bürgern verhelfen, glaubt der Anti-Bürokratie-Beauftragte. Nach Angaben des Unternehmensberaters und Stoiber-Helfers Roland Berger hat die Gruppe bei nur vier Sitzungen schon Vorschläge zur Einsparung von acht Milliarden Euro Bürokratiekosten erarbeitet.
Im Vergleich zu früheren Auftritten fällt Stoibers Vortrag außerordentlich kurz aus: nur 23 Minuten. Doch der 66-Jährige ist wie immer voll bei der Sache. Als Vergleich für das Brüsseler Bestreben, möglichst jedes Risiko im Leben abzusichern, dient ihm die Herrenbekleidung. "Wenn Sie ängstlich sind, nehmen Sie zum Gürtel noch den Hosenträger. Und wenn Sie ganz auf Nummer sicher gehen wollen, nehmen Sie noch Reißzwecken hinzu, um Hemd und Hose zu verbinden." Stoiber aber will auf Hosenträger und Reißzwecken verzichten: "Ich glaube schon, dass wir mit dem Gürtel alleine hinkommen."
"Die Gurke darf nicht zu krumm sein"
Paradebeispiel für Brüsseler Exzesse war einst für die CSU die Gurkenkrümmung. Denn der Euro-Normgurke ist lediglich eine maximale Krümmung von 20 Millimetern auf 10 Zentimeter Länge gestattet. "Das ist sicher interessant: Aha, die Gurke darf nicht zu krumm sein", sagt Stoiber vor Beginn der Sitzung. Der christsoziale Übervater Franz Josef Strauß geißelte die Gurken-Vorschrift stets als Beispiel für zügellose europäische Bürokratie.
Nun macht Stoiber neue Erfahrungen: Denn heutzutage will die EU- Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel der Gurke freie Krümmung erlauben und die entsprechende Vorschrift abschaffen. Doch es gibt Widerstand: von CSU-Vize und Bundesagrarminister Horst Seehofer. Wie viele andere EU-Staaten auch lehnt Deutschland eine Milderung der strengen Normen für die Handelsklassen bei Obst und Gemüse ab. Der Bürokratieabbau sei "oft nicht erfolgreich", räumt Stoiber ein.
Von Carsten Hoefer, dpa
Quelle: ntv.de