Zum Wohle der Hausfrau Stoibers letzter Kampf
28.09.2007, 15:41 UhrEdmund Stoiber und Bayern. Seit 14 Jahren sind die beiden unzertrennlich. Doch bald muss das größte deutsche Bundesland ohne den charismatischen Politiker auskommen, denn zum 30. September hat Stoiber sein Amt als bayrischer Ministerpräsident niedergelegt. Bis zum 9. Oktober ist er noch kommissarischer Chef in der Staatskanzlei, dann übernimmt endgültig sein Nachfolger Günther Beckstein die Geschäfte.
In den letzten Tagen seiner Amtszeit will Stoiber noch einmal Politik machen. Sein aktuelles Lieblingsthema: Kinder und Familie. Der Noch-Ministerpräsident tut sich schwer damit, vom alten Ideal der fürsorglichen Hausfrau, die die Kinder erzieht, abzurücken. Stoiber liegt daher im Dauer-Clinch mit Familienministerin Ursula von der Leyen, die für ein neues Familien-Bild kämpft.
Mit dem Ausbau von Krippenplätzen will von der Leyen Frauen ermöglichen, zu arbeiten und trotzdem Kinder zu bekommen. Gegen die Krippen wehrt sich Stoiber nicht mehr, doch er will die Spezies der Hausfrau vor dem Aussterben retten. Schon im Mai forderte er 150 Euro im Monat für Familien, die ihre Kinder nicht in eine öffentliche Kinderkrippe oder einen Kindergarten schicken. Betreuungsgeld nennt Stoiber das. Von der Leyen ist strikt dagegen. Sie fürchtet, dass dann vor allem sozial schwache Familien ihre Kinder nicht in den Kindergarten bringen, um das Geld zu kassieren. Auf den Fluren des Familienministeriums spricht man daher schon vom "Prekariatszuschlag".
Laut der Familienministerin kann das Betreuungsgeld auch Auswirkungen auf die Integration haben. Wenn die Eltern eines jungen Türken 150 Euro im Monat bekommen, falls sie ihren Sohn aus der Krippe nehmen, "dann nehmen sie ihn raus. Und das ist für dieses Kind sicher nicht das Tor zur Integration", sagte von der Leyen
Die Stammwähler im Blick
Hinter den Kulissen der CSU gilt der Kampf um das Betreuungsgeld wohl schon als verloren, nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel am 12. September im Bundestag deutlich machte, dass über ein Betreuungsgeld erst nach dem Ausbau der Krippenplätze wieder diskutiert würde. Auf einen genauen Termin wollte sich Merkel nicht festlegen, was als Zeichen ihrer Ablehnung gilt. Trotzdem macht Stoiber die "Herdprämie" noch einmal zum Thema, wohl auch, um das konservative Profil der Union zu stärken. Stoiber will die Stammwähler nicht verlieren, auch wenn er selber nicht mehr zur Wahl steht.
Als einer der Wenigen wehrt er sich gegen die fortschreitende Annäherung von SPD und Union. Dabei hat er die Sozialdemokratisierung der Union indirekt mit eingeleitet. Den Wahlkampf der Union 2005 kritisierte Stoiber als zu Wirtschafts-orientiert und forderte eine stärkere Konzentration auf Themen wie Generationengerechtigkeit und Familienpolitik. Im Hinterkopf hatte er wohl auch die Wahl 2002, in der als Kanzlerkandidat der Union nur knapp gegen Gerhard Schröder verlor. In der Wahlanalyse wurde damals schnell deutlich, dass vor allem junge Frauen sich gegen Stoiber entschieden hatten. Und die, das weiß auch Stoiber, kriegt man mit sozialen Themen.
Für Familie und Vaterland
Doch der Schuss mit der Forderung nach einer sozialeren Union ging aus Stoibers Sicht über das Ziel hinaus. Von der Leyen macht als CDU-Ministerin die Politik, für die lange Jahre die SPD stand. Mit dem Kampf für das Betreuungsgeld, der Forderung, dass Moscheen nicht größer als Kirchen sein sollten und seinem Ruf nach einer deutschen Leitkultur will Stoiber als scheidender Kapitän das CSU-Schlachtschiff noch mal auf Kurs bringen. Werte wie Familie, Vaterland und das christliche Menschenbild will er ein letztes Mal aus Bayern heraus in die Bundespolitik tragen.
Welche Rolle er im öffentlichen politischen Diskurs nach seinem Rücktritt als bayrischer Ministerpräsident spielen wird, ist noch unklar. Bei der EU wird sich Stoiber auf jeden Fall um den Bürokratieabbau kümmern. Ginge es nach den Befragten einer Umfrage von n-tv Forsa, müsste sich Stoiber allerdings ganz aus der Politik zurückziehen. 70 Prozent der Bayern finden demnach, dass Stoiber in den Ruhestand gehen sollte. Nur 14 Prozent würden ihn gerne weiter in der Politik sehen.
Von Malte Buhse
Quelle: ntv.de