Häftlinge ziehen nach Illinois Streit um Obamas "Gitmo Nord"
17.12.2009, 16:55 UhrDie Republikaner sehen ihr Land unsicherer werden, die Demokraten fürchten ein neues Rechtsvakkum. Nur die Gemeinde Thompson freut sich auf die Guantánamo-Häftlinge.

Im Thompson Correctional Center sollen die Häftlinge zukünftig untergebracht werden.
(Foto: picture alliance / dpa)
Barack Obamas künftiges Terroristen-Gefängnis auf US-Boden hat schon einen Spitznamen. "Gitmo North", das neue Guantánamo Bay im Norden, haben es Kritiker getauft. Und davon gibt es eine ganze Reihe. Seit die US-Regierung ihre Absicht bekundet hat, Dutzende Insassen des bisherigen Lagers auf Kuba in einem Hochsicherheitsgefängnis in Illinois unterzubringen, schreien Republikaner Zeter und Mordio, beschwören das Schreckgespenst neuer Terroranschläge auf amerikanischem Boden.
Dabei tröstet sie die Aussicht wenig, dass sich jene Gefangene, die sich - nach konservativer Darstellung - bisher im südlichen warmen Kuba wie in einem Club Med sonnen konnten, ja nun demnächst den kalten Wintern in Illinois ausgesetzt sein werden. "Die amerikanische Bevölkerung will keine gefährlichen Terroristen auf ihren Boden importiert haben", sagt der republikanische Fraktionschef John Boehner kategorisch, als würden sich künftig Massenmörder seelenruhig auf Amerikas Straßen tummeln dürfen.
"Geliebtes Heimatland" wird unsicher gemacht
Er sei "erschüttert" über Obamas Entscheidung, macht auch der Abgeordnete Mike Pence seiner Empörung darüber Luft, dass "sein geliebtes Heimatland" künftig durch die Unterbringung von Guantánamo-Häftlingen "unsicher gemacht wird". Und Pence ist sich mit Boehner und anderen Parteikollegen völlig einig: "Die Administration gibt internationaler Public Relation Vorrang vor dem Schutz der eigenen Nation." Was er damit meint: Obama habe sich dem Ausland angebiedert, das anders als die Republikaner Guantánamo Bay als einen Schandfleck angeprangert hat, eines Rechtsstaats unwürdig.
Obama will diesen Schandfleck beseitigen, aber die geplante Schließung verzögert sich, kommt erst irgendwann im nächsten Jahr, dann, wenn die bisherigen Insassen andernorts untergebracht sind. Der vom Präsidenten beschlossene Kauf des Thomson Correctional Center in der entlegenen Gemeinde Thomson an der Grenze zu Iowa soll den Gordischen Knoten durchschlagen. Das 2001 fertig gestellte Gefängnis steht weitgehend leer und muss nur noch so umgerüstet werden, dass es die "sicherste Haftanstalt Amerikas" wird, wie es der Gouverneur von Illinois, Patrick Quinn, versprochen hat.
Obama braucht Zustimmung vom Kongress
Schätzungsweise bis zu 80 derzeitige Guantánamo-Gefangene werden dann dort landen. Das sind hauptsächlich zwei Gruppen: jene, die direkt auf dem Gelände der Haftanstalt vor ein Militärtribunal gestellt werden sollen, und Gefangene, die Obama nach dem Muster seines Vorgängers George W. Bush auf unbestimmte Zeit auch ohne Prozess festhalten will, weil es nicht genügend handfeste Beweise für ein Verfahren gibt.
Um Terrorverdächtige, denen nicht sicher der Prozess gemacht wird, auf US-Boden bringen lassen zu können, braucht der Präsident grünes Licht vom Kongress. Und dabei wird er sich ganz auf seine Demokraten stützen müssen. Mit den Republikanern ist der Transfer nicht zu machen. "Ich werde nicht dafür stimmen, dass auch nur ein Nickel dafür ausgegeben wird", droht Boehner, und auch andere Parteifreunde kündigen erbitterten Widerstand an.
Schaffung eines neuen Rechtvakuums
Auch in der linken Ecke herrscht Enttäuschung über Obamas Schritt, wenn auch aus ganz anderen Gründen. Hier sieht man in der geplanten Zusammenballung von Terror-Häftlingen, die zum Teil nicht mal vor ein Gericht gestellt werden sollen, schlicht die Schaffung eines neuen Rechtsvakuums, eben auch "Gitmo North". Tom Parker von Amnesty International hält Obama vor: "Alles, was er mit seiner Ankündigung tut, ist die Änderung der Postleitzahl von Guantánamo."
Aber natürlich zieht er einen "Umzug" dem Status Quo vor, und das tut auch die Bevölkerung der 550-Seelen-Gemeinde Thomson. Während die Republikaner das Gefängnis als künftiges Terrorziel sehen, zeigen die Einwohner wenig bis überhaupt keine Furcht. Im Gegenteil: Angesichts einer Arbeitslosenquote vom mehr als elf Prozent haben sie jetzt die Aussicht auf Tausende neuer Jobs und eine florierende Wirtschaft.
"Das wird uns allen helfen", zitiert das "Wall Street Journal" Todd Baker. "Über unsere Sicherheit bin ich überhaupt nicht besorgt." Die Gemeinde habe sich lange genug abgestrampelt, pflichtet Donna Opheim, eine Restaurantbesitzerin, bei. Jetzt werde es bergauf gehen: "Das ist die beste Nachricht seit langem."
Quelle: ntv.de, Gabriele Chwallek, dpa