Dossier

Kampagne in Senegal TV-Spots gegen den Exodus

Drastische Bilder von gestrandeten Flüchtlingen und zerschmetterten Booten sollen den Exodus afrikanischer Flüchtlinge vom Senegal zu den Kanarischen Inseln stoppen. Das senegalesische Fernsehen sendet die von Spanien finanzierten Spots, die Auswanderungswillige entmutigen sollen und zugleich an ihren Nationalstolz appellieren.

"Riskiere dein Leben nicht für nichts und wieder nichts. Du bist die Zukunft Afrikas", sagt der international bekannte senegalesische Sänger Youssou N'Dour in die Kamera, bei Nacht alleine am Strand in einem Boot sitzend. Eine Mutter sagt, sie habe ihren Sohn seit acht Monaten nicht mehr gesehen. In der darauf folgenden Szene sieht man einen jungen Mann mit dem Gesicht nach unten auf Felsen liegen. Dazu sagt N'Dour: "Du weißt, wie diese Geschichte endet."

Teil der Kampagne sind auch die ganzseitigen Zeitungsanzeigen, auf denen ein mit Flüchtlingen überladenes Boot zu sehen ist. Darunter sieht man ein zerschmettertes, halb im Sand vergrabenes leeres Boot.

Eine Million Euro hat die spanische Regierung in die Medienkampagne investiert. Sie will den Auswanderungswilligen die Gefahren der zehntägigen Seereise in meist überfüllten und nicht seetüchtigen Booten vor Augen führen. Im vergangenen Jahr erreichten 31.000 Flüchtlinge von Senegal kommend die Kanarischen Inseln - wie viele bei der Überfahrt verschollen sind und umkamen, weiß niemand genau zu sagen. Dario Otero, Geschäftsträger in der spanischen Botschaft in Dakar, vermutet, dass 20 bis 50 Prozent auf dem Weg umkommen.

Spots stoßen auf Ablehnung

Die Reaktionen in der senegalesischen Hauptstadt Dakar auf die Medienkampagne scheint überwiegend ablehnend zu sein. "Warum wollen sie nicht, dass wir es versuchen? Warum versuchen sie, uns aufzuhalten?", fragt der 28-jährige Bathie Ndiaye. "Die Menschen wollen nur ihr Leben zu verbessern. Wir haben hier gar nichts." Djibril Diagne, ein 38-jähriger Elektriker, sieht es ähnlich. Die warnenden Spots gingen nicht an die Wurzeln des Problems: "Es gibt keine Lösungen, keine Arbeitsplätze für unsere Jugend." Wer die Chance habe, vor Armut und Elend zu fliehen, werde das machen.

Otero sagt, die Medienkampagne sei Teil einer umfassenden Anstrengung, das Flüchtlingsproblem in den Griff zu bekommen. Dazu gehörten Diplomatie, die Verstärkung Küstenpatrouillen und auch Deportationen. Es gehe um die Vermittlung von Informationen: "Viele junge Leute steigen in diese Boote, ohne zu wissen, in welche Gefahr sie sich begeben", sagt Otero.

Dieses Jahr haben im Vergleich zum Vorjahr 300 Prozent weniger Flüchtlinge die Überfahrt gewagt. Das heiße jedoch nicht, dass "wir nächstes Jahr nicht höhere Zahlen haben", sagt Otero.

1.500 Senegalesen zurückgeschickt

Einmal auf spanischem Gebiet haben Flüchtlinge eine gute Chance, bleiben zu dürfen. Ungefähr 1.500 Senegalesen sind dieses Jahr aus Spanien zurückgeschickt worden. Viele andere afrikanische Länder haben jedoch keine Deportationsvereinbarung, und die Flüchtlinge machen es zur Tugend, keine Papiere mitzuführen - wenn niemand weiß, woher sie kommen, kann man sie auch nicht nach Hause schicken. Nachdem sie 40 Tage auf den Kanaren festgehalten werden, werden sie normalerweise auf das Festland gebracht. Und obwohl sie von der Ausweisung bedroht sind, dürfen sie oft bleiben. Die meisten bekommen innerhalb einiger Jahre Papiere, die ihnen das legale Arbeiten erlauben.

Doch viele kommen nicht soweit. Ndiaye bezahlte Schleusern für zwei Versuche, per Boot zu den Kanaren zu kommen, 1.250 Euro - ein kleines Vermögen im Senegal. Beim ersten Versuch musste er mit ansehen, wie zwei Passagiere über Bord geworfen wurden, die krank geworden und gestorben waren. Kurz darauf wurde das Boot von der marokkanischen Küstenwache abgefangen. Beim zweiten Versuch schlug das Boot auf der Höhe Mauretaniens leck. Fischer retteten 40 Insassen, hatten allerdings für 20 weitere keinen Platz. Sie wurden nie wieder gesehen.

Heute schlägt sich Ndiaye mit seinem Schusterladen durch, den er "Gualgui", Kanu, genannt hat. Ob er die Reise auf dem offenen Meer noch einmal wagen würde? "Ehrlich gesagt ist es zu gefährlich", sagt er. "Spanien sollte uns reinlassen, aber auf diesem Weg geht es nicht."

Quelle: ntv.de

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