Dossier

Sicherheitspanne in London Terrorfahnder in Zugzwang

Die Panne war nicht nur peinlich, sie gefährdete auch die Sicherheit der Briten und den Erfolg einer Anti-Terror-Aktion. Eigentlich wollte Großbritanniens oberster Terrorfahnder Bob Quick den Premierminister über eine bevorstehende Razzia gegen eine Terror-Zelle informieren, die Verbindungen zu El Kaida haben soll. Die wichtigsten Punkte der "Operation Pathway" mit Einsatzorten und geplanten Festnahmen im Nordwesten Englands waren übersichtlich auf einem Blatt zusammengefasst, das Quick vor seiner Ankunft in der Downing Street wohl noch schnell überflogen hat. Nur legte er die Notizen danach nicht zurück in die Akten sondern trug sie oben auf einem Stapel Papiere offen zur Schau.

Als der Anti-Terror-Chef von Scotland Yard den Regierungssitz erreichte, klickten die Kameras der Fotografen - damit war das Unheil geschehen. Die Pressefotos waren scharf genug, um die vertraulichen Angaben, die nur für die Augen von Premierminister Gordon Brown und Innenministerin Jacqui Smith bestimmt waren, gut lesen zu können. Scotland Yard hatte seinen nächsten Skandal und die ohnehin angeschlagene Innenministerin ein Problem mehr. Und am Freitag mehrten sich die Berichte, dass in Manchester ein möglicherweise verheerender Terroranschlag an den Ostertagen verhindert worden war. Für viele Menschen war es damit vorbei mit besinnlichen Feiertagen.

Brisante Details

"Geheim" steht ganz oben auf dem Zettel, darunter die brisanten Details: elf Verdächtige, zehn davon in Pakistan geboren, Festnahmen in Manchester, Liverpool und Clitheroe - sogar die Namen der leitenden Polizisten, Details zur Bewaffnung der Beamten, und selbst Hinweise zur anschließenden Pressearbeit waren zu erkennen.

Zwar versuchten der Geheimdienst und die Regierung, die Medien von der Veröffentlichung der Bilder abzuhalten. Aber weil das Foto auch im Internet zirkulierte, war die Gefahr zu groß, dass die mutmaßlichen Terroristen gewarnt werden können. Statt wie geplant die Verdächtigen nachts im Schlaf zu überraschen, mussten die Einsatzkräfte in aller Eile, bei Tageslicht und an belebten Orten wie einer Universität zuschlagen. An der Uni gerieten einige Studenten in Panik, als sie über Lautsprecher aufgefordert wurden, in Deckung zu gehen. Auch an anderen Orten versetzten die schwer bewaffneten Beamten Anwohner in Angst und Schrecken.

Quick tritt zurück

Mit seinem Rücktritt am nächsten Morgen kam Quick seinem Rausschmiss zuvor. Nach dem Wirbel um den Einsatz gegen G20- Demonstranten und den Tod eines unbeteiligten Mannes gerät Londons Polizeibehörde innerhalb von 24 Stunden doppelt in Erklärungsnot. Auch die Innenministerin, die zuletzt mehr wegen der Pornofilm- Vorlieben ihres Gatten Schlagzeilen machte, wird geschwächt. Bei der Vorlage ihres Anti-Terror-Berichts vor wenigen Wochen hatte sie die Briten noch zu mehr Wachsamkeit aufgerufen - eine Tugend, an der es nun ausgerechnet an oberster Stelle fehlte.

Zum Glück schien die Operation trotz der Panne und der Eile kein Fehlschlag gewesen zu sein. Zwölf Verdächtige wurden festgenommen. Aus Ermittlerkreisen hieß es, dass die Männer "sehr bald" etwas "sehr Großes" planten und "Material für eine große Explosion" zusammentragen wollten.

Möglichen Terroranschlag vereitelt

In Medien hieß es, dass ein Nachtclub oder Einkaufszentren in Manchester Ziel eines Terroranschlags gewesen sein könnten. Der Nachtclub hat pro Woche Tausende Gäste, in das Einkaufszentrum strömen jedes Wochenende 140.000 Menschen. Von einem möglichen "noch schlimmeren" Anschlag als am 7. Juli 2005 auf die Londoner U-Bahn schrieb die Zeitung "Daily Telegraph". Damals kamen mehr als 50 Menschen um.

Doch die Polizei hielt sich wegen der laufenden Ermittlungen bedeckt und wollte keine möglichen Anschlagsziele bestätigen. Aber die Angst schürte auch Premierminister Brown, als er von einem "sehr großen" Terrorplan sprach. Gleichzeitig verwies er auf Pakistan, das im Kampf gegen den Terror mehr tun müsse. Doch die Verdächtigen waren mit Studentenvisa eingereist - für viele Experten ist dies schon lange ein Schlupfloch, das Terroristen ausnützen könnten. Und so schob der pakistanische oberste Diplomat in Großbritannien, Wajid Shamsul Hasan, dann auch eventuelles Versagen auf die britischen Behörden, die ihr Visa-System zu überprüfen hätten.

Quelle: ntv.de, Thomas Pfaffe, dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen