Wen wählen Sie? Todestag des Vaters der Umfrage
27.07.2009, 08:59 UhrDerzeit haben sie wieder Hochkonjunktur, die Stimmungsbarometer der Politik: Im Bundestagswahlkampf erreichen die Umfragen der großen Meinungsforschungsinstitute eine Aufmerksamkeit wie selten in den vorangegangenen vier Jahren. Befördert vom Bedarf der Massenmedien und den immer feineren Wahlkampfanalysen der Parteien wächst die Nachfrage nach Umfragedaten von Wahl zu Wahl. Dabei bedienen sich die Institute noch immer der Grundprinzipien des Mitbegründers der modernen Meinungsforschung, des amerikanischen Sozialwissenschaftlers George Gallup. Sein Todestag jährt sich am 27. Juli zum 25. Mal.

George Gallup
(Foto: dpa)
Am Anfang hatten sie über ihn und sein gerade gegründetes "American Institute of Public Opinion" gelacht. 1936 wollte kaum einer in Amerika Gallups angeblich wissenschaftlich fundierten Umfragen Glauben schenken, denen zufolge der Demokrat Franklin D. Roosevelt zum Präsidenten wieder gewählt werden würde. Doch Gallup, der promovierte Journalist aus Iowa, behielt Recht - die große Karriere des Pioniers der Demoskopie begann.
Unabhängig und objektiv
Denn Gallup gelang der Schritt von der planlosen Befragung zur repräsentativen Umfrage, die alle Gruppen und Schichten der Gesellschaft zu erreichen versuchte. Oberstes Prinzip war das Bemühen um Unabhängigkeit und Objektivität. Der eigenwillige Institutsgründer verzichtete sogar auf sein Wahlrecht, nur damit ihm niemand Parteilichkeit unterstellen konnte. Bis heute nimmt das Gallup-Institut in Washington nach eigenen Angaben keine Aufträge aus der Politik und von politischen Interessengruppen an.
Gallup, der sein Geld vor allem mit Marktforschung verdiente, war zwar nicht der Erfinder der Demoskopie - aber er machte sie zu einem bedeutenden Faktor der amerikanischen Öffentlichkeit. Heute werden die Amerikaner fast täglich mit Meinungsumfragen bombardiert. Politiker, die auf Meinungsumfragen achteten, zollten im Grunde "den Sichtweisen der Menschen Respekt", hatte Gallup optimistisch gemeint. Politik, die sich an Umfragen orientiert, konnte er sich damals kaum vorstellen.
Repräsentativer Querschnitt
Seither hat sich die Meinungsforschung und ihr gesellschaftlicher Stellenwert drastisch verändert. Mit dem computergesteuerten Einsatz des Telefons sind die Ergebnisse repräsentativer geworden: Früher wurden zu Befragende nach bestimmten Kriterien wie Alter, Geschlecht und Region ausgesucht - die Auswahl war damit nicht mehr rein zufällig. Heute wird aus einer Vielzahl zufällig angerufener Anschlussinhaber ein repräsentativer Querschnitt gebildet, wie der Geschäftsführer der Mainzer Forschungsgruppe Wahlen (ZDF-Politbarometer), Matthias Jung, erklärt. Für die sogenannte Sonntagsfrage - Für wen würden Sie votieren, wenn am kommenden Sonntag Wahl wäre? - werden zudem neben dem Votum noch andere Faktoren berücksichtigt, etwa die Parteibindung oder Koalitionswünsche des Befragten.
Nach der Bundestagswahl 2005 waren die Institute dennoch in die Kritik geraten, weil ihre Umfragen lange auf einen Sieg von Schwarz-Gelb gedeutet hatten. Jung verweist darauf, dass die meisten Institute aber keine Prognosen über den Wahlausgang abgeben, sondern lediglich Stimmungsbilder vom Zeitpunkt der Befragung. Außerdem seien die "knapp zwei Wochen vor der Wahl gemessenen Werte für die Parteien ausgesprochen plausibel" gewesen.
Extrem optimierte Methode
Die Methoden lassen sich auch kaum noch verbessern. "Sie sind extrem optimiert", sagt Jung. Lediglich beim Einfluss der Wahlbeteiligung sieht er noch Möglichkeiten. Zuletzt hatten sich an der Europawahl im Juni weniger Menschen beteiligt als sie es in den Umfragen angegeben hatten - was wegen des dann anderen Gewichts der abgegebenen Stimmen das Meinungsbild etwas verzerrt hatte.
Die Forschungsgruppe ergänzt ihre Interviews inzwischen um andere Fragen, um mit ihnen die Wahrscheinlichkeit zu messen, mit der das angebliche Votum eines Befragten mit seiner späteren Stimmabgabe übereinstimmt. So fragen die Interviewer unter anderem danach, wie wichtig dem Gesprächspartner eine Wahl ist. Damit lässt sich ein Teil der künftigen Nichtwähler identifizieren.
Doch die Zuverlässigkeit solcher experimentellen Verbesserungen lassen sich in der Praxis nur über einen längeren Zeitraum überprüfen. Denn dazu braucht es eine genügend große Zahl an Wahlen. "Drei oder vier pro Jahr sind da eindeutig zu wenig", sagt Jung.
Quelle: ntv.de, Christian Andresen und Alexandra Stahl, dpa