Dossier

Konferenz im "Tal des Todes" Umweltschützer frustriert

Über 10.000 Experten, Politiker und Aktivisten waren angereist, um in der polnischen Stadt Posen den Weg für das Klimaabkommen im Jahr 2009 in Kopenhagen zu bereiten. Doch am Ende der 14. UN-Klimakonferenz macht sich bei den Akteuren der Zivilgesellschaft Ernüchterung breit. "Wir reden zwei Wochen lang und einigen uns am Ende auf dieselben Dinge, die wir schon auf der letzten Konferenz in Bali 2007 verhandelt haben. Wir sind in substantiellen Fragen keinen Schritt weitergekommen", berichtet Lili Fuhr.

Für die Referentin für internationale Umweltpolitik der Heinrich Böll-Stiftung waren die Tage in Posen vor allem frustrierend. "Zwar konnten wir viele unserer Projekte ins Gespräch bringen, was ich als Erfolg empfinde. Was die offiziellen Verhandlungen angeht bin ich allerdings schockiert. Wir bewegen uns von Bali über Posen nach Bali zurück."

Das "Tal des Todes"

Dass sich die Beratungen schwierig gestalten würden, war vielen Beobachtern vorher klar. Besonders umstritten ist nach wie vor die Festlegung auf genaue Werte zum CO2-Ausstoß. Obwohl eine Reduktion der Emissionen der Industrieländer von 25 bis 40 Prozent bis 2020 seit Bali im Gespräch ist, erkannten einige Länder dies nicht als gemeinsame Grundlage für die Verhandlungen über ein Kyoto-Anschlussprotokoll 2009 in Kopenhagen an.

Christoph Bals bezeichnete Posen deswegen schon im Vorfeld als "Tal des Todes". Der politische Geschäftsführer der Umweltorganisation Germanwatch beschreibt die Stimmung als typisch für den derzeitigen Stand der Gespräche: "Am Anfang solcher Verhandlungen graben sich alle großen Verhandlungspartner in ihre extremen Vorstellungen ein. Sie sagen was sie wollen, aber nicht was sie bereit sind zu geben. Das ist eine sehr depressive Phase."

Im Gegensatz zu Bali sei die für Fortschritte nötige Dynamik allerdings nie aufgekommen. Stattdessen seien die Beratungen nur schwerfällig und träge vorangekommen. Entgegen den Erwartungen erwies sich ausgerechnet die Europäische Union als hemmender Faktor: "Die Verhandlungen um das EU-Energie- und Klimapaket waren ein ständiger Bremsklotz für die Verhandlungen in Posen", so Bals.

EU verlässt Führungsposition

Jahrelang die treibende Kraft im Kampf für den internationalen Klimaschutz, machten die führenden EU-Politiker beim Gipfel in Brüssel unter dem Eindruck der Finanzkrise weitgehende Zugeständnisse an die Industrie. Ein Dammbruch beim Emissionshandel konnte grade noch vermieden werden. Zumindest die westeuropäischen Stromversorger müssen ihre Emissionsrechte ab 2013 zu 100 Prozent ersteigern. Die osteuropäischen Staaten müssen ab diesem Zeitpunkt zunächst 30% der Rechte ersteigern. Diese Rate wird dann kontinuierlich gesteigert.

Trotzdem gibt es Ausnahmen, was gravierende Folgen hat: "Zwei wesentliche Vorbedingungen für ein ernsthaftes Abkommen sind in Frage gestellt", sagt Bals. "Wenn die Ersteigerungserlöse, wie geplant, teilweise für den Neubau von Kohlekraftwerken genutzt werden, untergräbt die EU ihre eigenen Klimaziele. Gleichzeitig wird sie kaum Geld aus der Versteigerung von Emissionsrechten generieren."

Die Entwicklungsländer fordern aber schon vor 2012 Gelder für Anpassungsmaßnahmen. Ihr Vertrauen in die Zusagen der Industrieländer würde andernfalls stark sinken, ihre Mitarbeit beim internationalen Klimaschutz wäre gefährdet.

Besonders enttäuscht zeigt sich Lili Fuhr über Angela Merkel, die noch im März 2007 die ehrgeizigen Emissionsziele der EU durchsetzte: "Diesen Rollenwechsel unter dem Druck der Industrielobby haben nur wenige in dem Maße vorhergesehen." Die Wut der Nichtregierungsorganisationen gegenüber einigen Schlüsselakteuren, darunter auch Deutschland, sei deutlich zu spüren.

Für ihre Rolle rückwärts bekam die einstige "Klimaqueen" Merkel den "Fossil of the Day Award". Diese zweifelhafte Auszeichnung verlieh das Climate Action Network, ein weltweiter Zusammenschluss von Umweltorganisationen, jeden Tag dem hartnäckigsten Blockierer der Klimakonferenz.

Schnelle Entscheidungen gefragt

Bis zur wegweisenden UN-Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 wird es weitere Zwischenverhandlungen geben. Für Lili Fuhr ist es unverzichtbar, so schnell wie möglich verbindliche Aussagen der politischen Entscheidungsträger zu bekommen: "Einige Delegationen sind mit den komplexen Verhandlungen völlig überfordert. Wir reden hier über technische Details, obwohl die großen strategischen Entscheidungen noch überhaupt nicht getroffen sind." Diese werden allerdings für das nächste Jahr erwartet.

Die USA werden unter ihrem neuen Präsidenten Barack Obama ihre Rolle im internationalen Klimaschutz neu definieren, und auf dem G8-Gipfel in Italien wird das Klima im Vordergrund stehen. Hier müsse der nötige Druck auf die Industriestaaten entfaltet werden. Christoph Bals übt sich in Optimismus: "Wir werden 2009 ein Ergebnis erzielen. Wenn der politische Druck groß genug ist, können wir ein ambitioniertes Abkommen erreichen. Allerdings wird in der Frage der Ausführungsbestimmungen wahrscheinlich mindestens 12 Monate danach im Detail nachverhandelt werden müssen."

Quelle: ntv.de

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