Dossier

Wien im Walzerfieber Und alle gehen hin

Wiens Kaffeesieder tun es, die Dachdecker tun es und selbst die Zugehfrauen (Putzfrauen) tun's: Es ist Ballsaison in der Donaumetropole, und alle gehen hin. Wer in diesen Tagen in Wien einen Festsaal mieten will, wird auf ungläubiges Staunen stoßen. Denn zwischen Neujahr und März sind praktisch alle auch nur einigermaßen brauchbaren Etablissements in der Kaiserstadt vollständig ausgebucht. Und das Geschäft mit dem Dreivierteltakt blüht in diesem Jahr wie selten zuvor.

"Alles, was zwei Beine hat, dreht sich im Dreivierteltakt" heißt die Devise vor allem bis Ende Februar. Was der Fasching für München und der Karneval für Köln oder Mainz ist die Ballsaison für Wien. Und der absolute gesellschaftliche Höhepunkt ist auch in diesem Jahr der berühmte Opernball, zu dem an diesem Donnerstagabend wieder rund 6.000 Gäste aus aller Welt in die Staatsoper strömen werden. Mindestens 40 Millionen Euro, so schätzt die Wiener Wirtschaftskammer, bringen die rund 155 Bälle in die Kassen der Wiener Wirtschaft. Allein der Opernball steht auch hier in diesem Jahr vermutlich wieder mit knapp 17 Millionen Euro Umsatz mit weitem Abstand an der Spitze. Der Opernball, so soll Staatsopernchef Ioan Holender gewitzelt haben, sei das einzige "Event" in den Heiligen Hallen der Wiener Oper, das einen Profit abwerfe.

Aber natürlich geht's den Wienern und Wahl-Wienern nicht allein um den Profit. Wer immer etwas in der Walzerstadt auf sich hält (und wer es sich leisten kann), geht zwischen dem Kaiserball am Silvesterabend und dem berühmten "Elmayer Kränzchen" zum Abschluss der Fastenzeit gleich auf mehrere Bälle. Und gefeiert wird bis in den Morgen. Schließen wollen die Eintrittspreise von bis zu 215 Euro (Opernball) ordentlich abgefeiert werden. Die Auswahl ist riesig, denn fast jede Berufsgruppe hat ihre eigene Veranstaltung.

Trifft sich beim Ball des Finanzministeriums im Palais Auersperg oder beim "Ball der Hochfinanz" im Palais Ferstl am 9. März alles, was in der Alpenrepublik etwas auf sich hält oder für etwas gehalten werden will, so geht es beim "Flüchtlingsball" der Stadt Wien oder dem Zuckerbäcker- oder dem Kaffeesiederball erheblich lockerer zu. Kenner und feierfreudige Wiener haben sowieso besondere Prioritäten. Sie zählen etwa den Blumenball zu den schönsten, den "Jägerball" (in Trachten) zu den originellsten, den der Kaffeesieder zu den besten, und den der Philharmoniker zu den vornehmsten Bällen der Wiener Saison. Daneben kann man natürlich auch beim Ball der Psychiater oder dem Ball in der Sargfabrik das Tanzbein schwingen.

Dabei kann so ein Abend - je nach Ausstattung und Aufwand - pro Person schon einmal vier- und fünfstellige Summen kosten. Denn neben der Eintrittskarte müssen die Gäste etwa beim Opernball noch einmal tief in die Tasche greifen, wenn sie etwas essen oder trinken wollen. So kostet eine Flasche Sekt bis zu 170 Euro und eine Flasche Champagner bis zu 430 Euro. Und wer sich zum Essen setzen will, zahlt noch einmal einen "Tischanteil" für zwei Personen von rund 300 Euro. Dazu sind Frack und Abendkleid "Pflicht". Wer nur satt werden will, kann allerdings ein Paar Frankfurter (Wiener) Würsteln für 7 Euro bestellen und seinen beim Tanzen entstandenen Durst mit einem Mineralwasser für 5 Euro löschen.

Richtig teuer allerdings wird es, wenn man etwa eine der 100 Logen des Prachtbaus gleich für mehrere Gäste mieten will. Hier müssen zahlungskräftige Kunden zwischen 9000 und 16000 Euro bezahlen. Außerdem, so klagte der Wiener Bauunternehmer und Opernball-Stammkunde Richard Lugner, gebe Opernchef Holender die begehrten Ball-Unterkünfte inzwischen nur noch an "Donatoren" (Spender) ab, die bereit sind, rund 38000 Euro für den Unterhalt des Wiener Traditionsbaus zu zahlen. Holender bestritt dies zwar bei der offiziellen Pressekonferenz im Januar energisch. Gleichzeitig kündigte er aber auch schon Preiserhöhungen für das nächste Walzerjahr an.

(von Christian Fürst, dpa)

Quelle: ntv.de

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