Dossier

Herkunft des Steines entscheidend Verantwortungsvoll bestatten

Der Wunsch des früheren Bundesarbeitsministers Norbert Blüm (CDU) ist klar: "Ich wünsche niemandem einen Grabstein, an dem das Blut indischer Kinder klebt." Blüm ist Vorsitzender des Freiburger Vereins "Xertifix", der Siegel für Grabsteine verleiht, die nachweisbar nicht von Kindern geschlagen worden sind. Das Geschäft mit Grabsteinen globalisiert sich - und das sorgt für Unruhe bei Kirchen und Kunden. Jeder fünfte Grabstein auf deutschen Friedhöfen kommt nach Schätzung des Bundesinnungsverbandes Deutscher Steinmetze aus Indien. Gerüchte, der Großteil stamme aus Kinderarbeit, rücken Importeure und Steinmetze ins Zwielicht. Sie setzen sich zur Wehr.

Friedhofsrichtlinie

Bereits 2003 flammte die Diskussion erstmals auf, nun hat die Nordelbische Landeskirche mit einer neuen Friedhofsrichtlinie das Thema erneut in den Fokus gerückt. Sie fordert auf den Friedhöfen in Norddeutschland fair "geschlagene" Grabsteine. In Paragraf 6, Absatz 3, heißt es seit August: "Der Friedhofsträger hat darauf hinzuwirken, dass auf die Verwendung von importierten Grabsteinen, die nicht unter fairen Arbeitsbedingungen, insbesondere mit Kinderarbeit produziert werden, verzichtet wird." Gemeint sind damit vor allem Steine aus Indien. Das Land ist der führende Exporteur von Grabsteinen nach Deutschland.

Auch der Hamburger Ren Sack, einer von 5.400 Steinmetzen in Deutschland, ordert jährlich 500 indische Granitsteine. Sack ärgert sich über die "Stimmungsmache". "Ich fahre einmal pro Jahr nach Indien, das mit der Kinderarbeit in der Grabsteinindustrie stimmt einfach nicht", sagt der 41-Jährige. "Wir sind glasklar gegen jegliche Form von Kinderarbeit. Bei den Grabsteinen sind die Produktionswege so automatisiert, dass es dort keine Kinderarbeit gibt", sagt auch der Geschäftsführer der Bundesinnung, Wolfgang Simon. Die Steine würden in 30 Tonnen schweren Blöcken aus dem Berg gesprengt und dann von Maschinen zurecht gesägt. Etwas anders könnte es bei der Schotterherstellung in Indien oder im Straßenbau aussehen.

"Heute reisen die Steine kreuz und quer durch die ganze Welt: In Italien gebrochen, dann in Indien gesägt, landen sie irgendwann hier", sagt der 53-jährige Simon. Ein lückenloser Herkunftsnachweis - wie er gefordert wird - sei schwer zu erbringen. Oft kommt in Deutschland nur noch die Inschrift auf den Stein. Wenn ein Grabstein aus Granit hier 500 Euro kostet, müssen für das indische Produkt inklusive Transport nur 150 Euro berappt werden. Immer öfter griffen Angehörige zum billigen "Stein von der Stange", heißt es. Beim deutschen Branchenführer, der nach eigenen Angaben pro Jahr 100.000 Grabsteine aus Indien importiert, möchte man sich nicht zu den Vorwürfen äußern. "An unseren Steinen klebt kein Blut", wird aber betont. Lieferwege seien überprüft worden.

Auf der anderen Seite steht Benjamin Pütter, ehrenamtlicher Mitarbeiter des "Xertifix"-Vereins. "Die waren ganz erschüttert, als wir sie zum ersten Mal mit Bildern aus indischen Steinbrüchen konfrontiert haben", sagt er in Bezug auf besagten Großhändler. Der Experte des Hilfswerks Misereor sieht die Verantwortung vor allem bei den Importeuren und ihren wenig transparenten Vertriebswegen. Der 49-Jährige ist schon 59 Mal nach Indien gereist.

Bei unangemeldeten Besuchen hat er in Steinbrüchen zahlreiche Kinder angetroffen, die an 45 Kilo schweren Bohrmaschinen arbeiteten. Solche Steinbrüche versuchen Pütter und seine Kollegen zur Umkehr zu bewegen. Im Gegenzug sollen bei den Produktionsstätten Schulen für die Kinder entstehen. Vor der Verschiffung werden die Steine mit dem "Xertifix"-Siegel für faire Herstellung versehen.

Jeder Stein habe einen geologischen "Fingerabdruck", der Steinbruch sei einwandfrei zu identifizieren, sagt Pütter. Dadurch - und mit Siegeln für faire Produktion - könne der Inflation von Billigsteinen aus zweifelhaften Produktionen entgegengewirkt werden. Er gibt aber zu: "Natürlich kann nicht jeder Stein einer geologischen Analyse unterzogen werden, bevor er auf dem Friedhof landet."

Von Georg Ismar, dpa

Quelle: ntv.de

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