Dossier

"Kindergarten" Verlorene Stunden der Taktierer

Der Kompromiss scheitert nicht an den Milliarden, die Deutschland dem von der Staatspleite bedrohten Griechenland leihen soll, sondern an einem Wort: "Finanztransaktionssteuer".

Fachleute rechnen damit, dass sich die Finanzprobleme und die sozialen Spannungen in Griechenland auf die gesamte Eurozone auswirken können.

Fachleute rechnen damit, dass sich die Finanzprobleme und die sozialen Spannungen in Griechenland auf die gesamte Eurozone auswirken können.

(Foto: dpa)

Ein Wort macht nach den Pirouetten um die deutsche Griechenland-Hilfe im ehrwürdigen Bundestag die Runde: Kindergarten. Für Otto Normalverbraucher dürfte es nur schwer nachvollziehbar sein, warum es nun am Freitag wohl keine breite Zustimmung im Parlament zum Gesetz über die Milliarden-Kredite für Athen geben wird.

Denn bei dem Streit zwischen Union, FDP und SPD geht es nicht um die Entscheidung, ob Deutschland dem von der Staatspleite bedrohten Griechenland in den nächsten drei Jahren 22,4 Milliarden Euro leihen soll. Fast allen Abgeordneten ist klar, wie gefährlich eine Zahlungsunfähigkeit Griechenlands für die Stabilität des Euro wäre.

Der Kompromiss scheitert quasi an einem Wort in einer Resolution, die parallel zu dem Gesetz verabschiedet werden soll und zunächst keinerlei messbares Ergebnis bewirkt. Es geht nur um eine Forderung des Bundestags an die Regierung, die wiederum auf europäischer Ebene etwas fordern soll. Das Zauberwort heißt "Finanztransaktionssteuer".

Mit ihr will die SPD Finanzinstitutionen an den Kosten von Krisen beteiligen und so klarmachen, dass nicht nur der kleine Steuerzahler blechen muss, wenn sich Staaten, Banken und Versicherungen verschulden beziehungsweise verzocken.

Das Problem ist nur: Der Internationale Währungsfonds (IWF) ist gegen eine solche Steuer. Die FDP hält es deshalb für Quatsch, sie in das Papier zu schreiben. Denn eine solche Abgabe erfüllte nur ihren Sinn, wenn sie international erhoben würde.

Der berühmte Sack Reis

CDU und CSU hätten diese Steuer hingegen um des lieben Friedens willen und weil es sich laut Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) um eine "ungewöhnlich ernste Situation" handelt in dem Antrag erwähnt. Dann hätte darin ein Passus gestanden, wonach sich die Regierung für die Prüfung der Einführung einer solchen Steuer einsetzen solle.

Prüfen könne man immer. Im übrigen interessierten sich die Menschen für eine solche Absichtserklärung in einem vergleichsweise wenig relevanten Entschließungsantrag ungefähr so stark wie für den berühmten Sack Reis, der in China umfällt.

Doch alle Anstrengungen der Fraktionen, die schon um 08.00 zu Sondersitzungen zusammengekommen waren, sind am Abend dahin. Auch das Spitzengespräch von Merkel, FDP-Chef Guido Westerwelle und dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel ist vergebens. Dabei sieht es zwischenzeitlich nach Einigung aus.

Das alles darf sicher nicht ohne einen Blick nach Nordrhein-Westfalen bewertet werden, wo am Sonntag Landtagswahl ist und laut Umfragen die dortige schwarz-gelbe Landesregierung ihre Mehrheit verlieren könnte. Für Merkel wäre es ein herber Rückschlag, wenn gleich der erste Test nach der Bildung der schwarz-gelben Koalition im Bund daneben ginge.

Die Griechenland-Krise sei für die CDU vor der NRW-Wahl ein "Riesenproblem", wird in der Union eingeräumt. Den möglichen Zorn der Bürger sowie der Wähler in NRW dürfte auch Merkel im Blick haben. Es heißt, sie habe die SPD nicht nur als wichtiges Signal deutscher Solidarität an Europa mit ins Boot holen wollen, sondern auch um Verunsicherung im Land nicht nur auf die Union schwappen zu lassen.

SPD spielt mit den Muskeln

Möglicherweise in ihrem Selbstbewusstsein durch Umfragewerte just am Donnerstagnachmittag bestärkt, wonach Rot-Grün in NRW vor Schwarz- Gelb (allerdings ohne absolute Mehrheit) liegen könnte, lässt die SPD die Verhandlungen mit der Koalition über die Resolution platzen. SPD- Fraktionsvize Hubertus Heil hatte am Vormittag gesagt, der Versuch der Koalition, die SPD vor der NRW-Wahl in die "europafeindliche Ecke" zu stellen, werde scheitern. Das Gegenteil sei richtig: Die Leute würde es einfach nicht verstehen, wenn die SPD bedingungslos die Milliarden für die Griechen durchwinken würde.

In den heftig umstrittenen Vier-Seiten-Entschließungsantrag wollen Union und FDP nun aber eine Formulierung aufnehmen, wonach Deutschland sich international dafür einsetzt, dass die IWF-Vorschläge zur Beteiligung des Finanzsektors an den Kosten von Finanzkrisen umgesetzt werden. Der IWF schlägt eine sogenannte Finanzaktivitätssteuer vor. Nach Angaben der Grünen ist sie "im Prinzip eine Art Mehrwertsteuer für Banken".

Die Mehrheit ist sicher

Die unmissverständlichsten Botschaften waren von Anfang an von den Grünen und den Linken geschickt worden. Die Grünen werden mit Ja stimmen und die Linken mit Nein - gleich, welche Forderungen parallel zu dem Gesetz über die Notkredite in einen Antrag geschrieben werden. Die SPD will sich nun enthalten. Damit hat die Koalition eine sichere Mehrheit für die deutsche Griechenland-Hilfe.

Quelle: ntv.de, Kristina Dunz und Joachim Schucht, dpa

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