Dossier

Der Gesundheitsfonds Viele Fragen offen

Der Gesundheitsfonds ist ein ungeliebtes Kind. Sein schlechter Ruf zeigt sich einmal mehr an der neu entfachten Debatte über den Finanzpool. "Es gibt eigentlich niemanden, der den Fonds wirklich will", bemerkt ein Koalitionsvertreter.

Zugleich will niemand dem nach monatelangen Verhandlungen ausgearbeiteten Konstrukt den Garaus machen. Das Signal wäre verheerend, wenn die Koalition nach gescheiterter Strukturreform auch noch das Kernelement ihres Kompromisses aufgeben würde, für das sich Kanzlerin Angela Merkel vehement eingesetzt hat.

Eine Hemmschwelle liegt darin, dass die Gesundheitsreform komplett überarbeitet werden müsste. Zahlreiche zentrale Elemente - wie der Finanzausgleich zwischen den Kassen - sind im Gesetz mit der gigantischen Geldsammelstelle verknüpft. Darin sehen einige einen taktischen Zug von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. Und die Regierung hält eisern an der Geldsammelstelle fest. Kritik und Distanzierungen nehmen jedoch zu. Hinter den Kulissen der Koalition wird diskutiert, wie der Fonds in letzter Minute noch gekippt werden könnte.

CSU sieht Voraussetzungen nicht erfüllt

Die Vorreiterrolle beim Mürbereden des Fonds nimmt derzeit die CSU ein. Sie sieht die Voraussetzungen zur Einführung noch längst nicht erfüllt. Die Krankenkassen in Bayern sind im Bundesvergleich finanziell eher gut ausgestattet und die Beitragssätze besonders niedrig. Wenn im Herbst der Beitragssatz für alle Kassen von der Bundesregierung festgesetzt wird, dürfte es für bayerische Kassen und ihre Versicherten unter dem Strich teurer werden. Dies könnte die CSU bei der Landtagswahl spüren.

Zudem fürchtet Bayern zu hohe Zahlungen in den Finanzausgleich zwischen den Kassen. Die zusätzlichen Belastungen eines Landes sind im Gesetz zwar auf 100 Millionen Euro pro Jahr begrenzt. Bayern und Baden-Württemberg bezweifeln jedoch, dass diese Summe einzuhalten ist. Bisher existiert kein Instrumentarium für eine solche Begrenzung.

Streit um Gutachten

Klarheit sollte das Gutachten dreier Experten um den Gesundheitsökonomen Jürgen Wasem bringen, das auch Wege für eine wirksame Kostenbremse aufzeigen soll. Es wird derzeit überarbeitet - auf Wunsch der Regierung. Die CSU wittert dahinter eine "große Gaunerei" und verlangt vom Ministerium die Veröffentlichung der Ursprungsversion. An der Realisierbarkeit der Konvergenzklausel erheben die Gutachter in ihrem Entwurf große Bedenken. Die im Gesetz stehende Regelung sei unvollständig, inkonsistent und wörtlich nicht umzusetzen. Bei bayerischen Politikern schrillen die Alarmglocken. Das Gutachten könnte ihnen als Munition für einen Stopp des Fonds dienen.

Der neue Risikostrukturausgleich muss ebenfalls vor dem Start des Fonds noch geklärt werden. Der Transfer zwischen den Kassen soll sich künftig stärker am Krankheitszustand der Versicherten orientieren. Zurzeit wird er vom Bundesversicherungsamt ausgearbeitet. Noch ist unklar, für welche Krankheit es Zuschläge in welcher Höhe geben wird, geschweige denn, wie viele Fälle davon in den einzelnen Bundesländern existieren. Eine Unbekannte sind zudem die bundesweit agierenden Kassen wie Barmer oder DAK. Sie sind nicht verpflichtet, regionale Daten zu erheben. Niemand weiß daher, wie viel Geld bayerische Kassen am Ende an andere zahlen müssen.

Insolvenzrecht als offene Flanke

Eine weitere offene Flanke beim Gesundheitsfonds ist das Insolvenzrecht. Die Kassen - vor allem die AOKen - schleppen Verbindlichkeiten zwischen acht und zwölf Milliarden Euro für Altersrückstellungen ihrer Mitarbeiter mit sich. Heftig umstritten ist, wer dafür aufkommen soll: die jeweilige Kassenart oder das gesamte Kassenystem. Im letzteren Falle würden die Verpflichtungen in den Fonds fließen, was dort wiederum die Geldmenge reduzieren würde.

Auch die daraus zu finanzierenden Ausgaben sind schwierig einzuschätzen. Nicht zuletzt die künftigen Honorare für die Kassenärzte sind derzeit schlecht absehbar. Die Verhandlungen darüber laufen noch. Es zeichnet sich aber ab, dass die Mediziner nächstes Jahr wohl mehr erhalten werden als bisher.

Quelle: ntv.de, Thorsten Severin, rts

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