Die Bahn in Japan und Großbritannien Von Erfolg und Chaos
16.04.2008, 13:28 UhrMehr als ein Jahrzehnt nach ihrer Privatisierung gilt die Bahn im britischen Königreich vielen Reisenden immer noch als ein Synonym für Wirrwarr. Mehr als 20 Gesellschaften teilen sich die verschiedenen Streckenbereiche. Billiger, zuverlässiger, sauberer oder pünktlicher - wie die "Eiserne Lady" Margaret Thatcher einst beim Verkauf der angesehenen British Rail versprochen hatte - sind Bahnreisen im Inselkönigreich keineswegs geworden.
Dafür wurden sie zumindest anfangs deutlich gefährlicher. In den ersten Jahren nach der 1994 begonnenen Übernahme durch profitorientierte Firmen häuften sich Zugunglücke. Neben einem nur noch mangelhaft gewarteten Schienennetz wurden Managementfehler dafür verantwortlich gemacht sowie Einsparungen an Personal und Material beim Schienennetzbetreiber Railtrack, der 1996 an die Börse ging.
Unüberlegt und überhastet
Anfangs kassierten Railtrack-Aktionäre noch hohe Profite, doch 2002 war der Netzwerkkonzern pleite. Selbst konservative Politiker, die sich die Förderung des freien Unternehmertums auf die Fahnen geschrieben haben, räumen ein, dass die Bahnprivatisierung in Großbritannien unüberlegt und überhastet erfolgt sei.
Es dauerte Jahre bis die Folgen halbwegs überwunden werden konnten, wenngleich die Privatisierung bis heute von Bahnkunden mit viel Ärger über Ausfälle, Verspätungen und die höchsten Fahrpreise in Europa bezahlt wird. Seit 2002 liegt die Verantwortung für die Funktionstüchtigkeit des Schienenstrangs bei dem Unternehmen Network Rail. Es wird zwar nach privatwirtschaftlichen Methoden geführt, ist aber ausdrücklich nicht mehr auf Gewinne orientiert.
Alte Staatsbahn wird zurückgewünscht
Die Zahl der Unglücke und Verspätungen ging zurück. Doch die Chaos-Jahre nach der Privatisierung führten dazu, dass die Entwicklung und der Ausbau der Infrastruktur hinter den steigenden Anforderungen an den Bahntransport zurückblieben. Besonders sichtbar ist das in Ballungsgebieten, vor allem im Großraum London.
Hunderttausende, die in der Hauptstadt arbeiten, aber wegen extrem hoher Mieten und der teuren Maut im Citybereich außerhalb der Metropole wohnen, sind auf die Bahn angewiesen. Überfüllte Waggons, Verspätungen und Ausfälle gehören zu einer normalen Arbeitswoche. Kein Wunder, dass sich bei Umfragen die meisten Briten auch heute noch die alte Staatsbahn zurückwünschen.
Profitabel, pünktlich, populär
Japan hingegen ist ein Eisenbahnparadies. Etwa ein Drittel des Personenverkehrs läuft auf der Schiene. Der Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen gilt seit Inbetriebnahme 1964 als der sicherste der Welt. Japans Bahnen sind zudem extrem pünktlich, die Abteile sind genauso penibel sauber wie die Bahnhöfe und die Bediensteten sind stets freundlich. Vor zwei Jahrzehnten war das noch anders: Die damalige Staatsbahn JNR (Japanese National Railways) war in den 80er Jahren zum Sanierungsfall geworden. Der Service und Zustand der Bahnhöfe war verrufen, es kam zu Unfällen und häufigen Streiks. Immer tiefer versank die einst stolze Staatsbahn in Schulden und musste die Fahrpreise fast jährlich erhöhen, bis sie zusammenbrach. 1987 erfolgte die Privatisierung - und die wurde zu einem großen Erfolg.
JNR, die am Ende unter einem Berg langfristiger Schulden von 37 Billionen Yen (230 Milliarden Euro) ächzte, wurde in regionale Betreiber aufgeteilt, auf der Hauptinsel Honshu in JR East, JR Central und JR West. Sie alle sind heute profitabel und an der Börse notiert. Einzig die Töchter in den weniger dicht besiedelten Regionen wie Hokkaido brauchen Zuschüsse. Für den Erfolg der Privatisierung gibt es neben der Befreiung von der Schuldenlast, einer verschlankten Verwaltung und geringeren Mitarbeiterzahl noch andere wichtige Faktoren.
Bahnhöfe bringen Profit
Zum einen ermöglicht die starke Bevölkerungsdichte Japans eine hohe Nutzung des Schienennetzes, pro Schienenkilometer werden täglich rund 50 .00 Fahrgäste befördert. Entscheidend dabei ist, dass die neu gegründeten Bahngesellschaften neben den Zügen auch das Schienennetz besitzen. Sie profitieren damit von den hohen Investitionen der ehemaligen Staatsbahn JNR, die das Inselreich damals bis in die letzten Winkel erschlossen hatte. Hinzu kommt die ertragreiche Nutzung des enormen Grundbesitzes der Bahngesellschaften: Japans große Bahnhöfe sind heute zugleich riesige und attraktive Einkaufs- und Restaurantzentren samt Hotels, die ebenfalls wesentlich zum Profit beitragen.
Von Thomas Burmeister (GB) und Lars Nicolaysen (Japan), dpa
Quelle: ntv.de