Zerreißprobe in Nicaragua "Vorspiel zu etwas Schlechterem"
13.05.2010, 14:29 Uhr
Nicaraguas Präsident Ortega will sich die Macht nicht nehmen lassen.
(Foto: REUTERS)
2011 wählt Nicaragua einen neuen Präsidenten. Amtsinhaber Ortega darf laut Verfassung nicht mehr kandidieren. Um aber an der Macht bleiben zu können, greift er zu rabiaten Mitteln.
Noch einmal abgewählt zu werden wie im Jahre 1990, diese Schmach will sich Nicaraguas linksorientierter Präsident Daniel Ortega ersparen. Er hat sein Land in seiner zweiten Amtszeit seit 2007 zum Frontposten Kubas und Venezuelas in Zentralamerika gemacht, die Lateinamerika unter der Fahne eines sozialistischen Nationalismus vereinigen wollen. Sollte bei den Wahlen 2011 eine konservative Regierung an die Macht zurückkehren, dann dürfte die Allianz mit Venezuelas Präsident Hugo Chávez und dem Regime der Castros in Kuba rasch der Vergangenheit angehören.
Ortegas Weggefährte Tomas Borge, derzeitiger Botschafter Nicaraguas in Peru, ließ keinen Zweifel über die kommenden Wahlen aufkommen. Den Sandinisten geht es nicht um demokratische Wahlen, sondern um den Erhalt der Macht, für immer. "Alles kann hier passieren, nur eines nicht: dass die Sandinistische Front die Macht verliert. Für mich ist es unvorstellbar, dass die Rechte in diesem Land an die Macht zurückkehrt. Ich habe zu Daniel Ortega gesagt, wir können jeden beliebigen Preis zahlen, was immer sie auch sagen mögen. ... Wir werden das tun, was wir tun müssen."
Gefälschte Wahlen

Während einer Demonstration in Managua gewerfen Anhänger der Sandinisten Polizisten mit Steinen. ...
(Foto: REUTERS)
Der Kampf um die Macht ist schon lange im Gange. Ortegas Sandinisten sind im Parlament in der Minderheit und auch in der Bevölkerung steigt die Zustimmung zu Ortega nach Umfragen kaum über 30 Prozent. Bereits im November 2008 haben die Sandinisten die Bürgermeisterwahlen in Managua und anderen Städten zu ihren Gunsten gefälscht. Das auch international kritisierte Vorgehen funktionierte, weil Ortegas Leute die Justiz und die Wahlbehörde beherrschen.
Damit das auch weiterhin funktioniert, verlängerte Ortega vor wenigen Tagen per Erlass die Amtszeit von gut zwei Dutzend Funktionären dieser Behörden. Als die Opposition sich anschickte, den Präsidentenerlass durch ein Gesetz auszuhebeln, ließ Ortega vor dem Parlament Schlägertrupps aufmarschieren, um den oppositionellen Deputierten den Zugang zu versperren. Diese versammelten sich in einem Hotel und wurden dann dort von den Ortega-Trupps überfallen. Es gingen Autos in Flammen auf und es gab Verletzte. Zu guter Letzt hoben die Ortega-Richter flugs die Immunität der aufmüpfigen Angeordneten auf, um der Justiz den Weg zu Strafverfahren zu öffnen.
"Er hat die Polizei manipuliert"
Die Polizei schaute den Übergriffen tatenlos zu. "Er hat die Polizei manipuliert", kommentierte die Zeitung "La Prensa". Die Polizei werde den Interessen Ortegas untergeordnet und solle nicht mehr der Verfassung und dem Land dienen. "In drei Jahren hat Präsident Ortega den Professionalismus der Polizei auf den Müll geworfen, den sie sich in 16 Jahren (der konservativen Regierungen) erworben hatte." Eine Mehrheit der Bevölkerung glaube nämlich, dass die Polizei auf Befehl von oben nichts gegen die Schlägertrupps unternehme.
Ortega muss vor allem befürchten, dass sich die zerstrittene konservative Opposition gegen ihn vereinigt. Bisher hat er stets seinen Pakt mit dem liberalen Parteiführer Arnoldo Alemán einsetzen können, um die Opposition klein zu halten. Der Pakt bestand vor allem darin, dass Ortega den wegen Korruption verurteilten ehemaligen Präsidenten Alemán in der Hand hatte und mit ihm und dessen Abgeordneten das Parlament dominierte.
Ortega setzt Oppositionsführer unter Druck
Jetzt versucht die Opposition alles, um sich nicht mehr auseinanderdividieren zu lassen. Allerdings kam es vor wenigen Tagen zu einem "Geheimtreffen" zwischen Ortega und dem Oppositionsführer Eduardo Montealegre, den Ortega schon seit geraumer Zeit ebenfalls wegen angeblicher Korruption unter Druck setzen wollte. Und Alemán will in diesen Tagen erklären, dass er für das Präsidentenamt kandidieren wird.

Ortega (l) soll sich heimlich mit Oppositionsführer Montealegre getroffen haben.
(Foto: REUTERS)
Große Teile der Bevölkerung haben derweil andere Probleme, als sich mit den Machenschaften der Politik zu befassen. Der Mehrheit geht es ums tägliche Überleben und nicht um Demokratie. Die Wirtschaft liegt ohnehin am Boden. 2009 gingen 42 000 Arbeitsplätze verloren. Ausländische Investitionen bleiben aus und zunehmend zieht sich auch die internationale Entwicklungshilfe zurück. Das Wirtschaftswachstum soll in diesem Jahr nur 1,5 Prozent betragen, der schwächste Wert in Lateinamerika.
"Staatsstreich gegen die Verfassung"
"Ich glaube, Ortega wird damit durchkommen", sagte ein politischer Beobachter angesichts der Entwicklung. "Es wird ein Einfaches sein, einen Durchmarsch zu machen." Die Zeitung "El Nuevo Diario" sieht schwarz: "Es ist ein Staatsstreich gegen die Verfassung im Gange, und das ist das Vorspiel zu etwas Schlechterem."
Quelle: ntv.de, Franz Smets, dpa