Dossier

"Irland ist extrem isoliert" Wähler schlecht informiert

Nach dem Paukenschlag zeigten sich Irlands Politiker ratlos, EU-Gegner frohlockten und -Befürworter waren sauer. Die Regierung fürchtet nach dem Nein bei der Volksabstimmung über den EU-Reformvertrag, in Europa als Buhmann dazustehen. "Ich weiß nicht, wie wir jetzt weitermachen. Irland ist extrem isoliert", klagt der Staatssekretär für Integration, Conor Lenihan. Die Iren ein zweites Mal an die Urnen zu zitieren, halten die meisten für aussichtslos. Auch weil der Schaden umso größer wäre, wenn sich die Regierung ein zweites Mal ein Nein einfinge.

Und das Referendum war auch so schon das teuerste in der Geschichte des Landes: Regierung, Befürworter und Gegner gaben insgesamt 15 Millionen Euro aus. "Es wäre eine Riesenanstrengung für die Regierung und für Europa, diese Frage noch mal zu stellen", resümiert Lenihan. Auf die Wahlbeteiligung ließ sich der Ausgang der Abstimmung auch nicht schieben, wie es der Fall war, als die Iren vor sieben Jahren den Vertrag von Nizza ablehnten und erst in einer zweiten Runde absegneten. 53 Prozent gingen dieses Mal an die Urnen. Doch die Prognosen, dass dies ein Ja wahrscheinlicher mache, waren nicht aufgegangen.

Sie wussten nicht, was sie taten

"Das Ganze war eine emotionale Angelegenheit, bei der die meisten nicht wussten, worum es ging. Und am Ende wurde die Nein-Seite immer mehr aufgeheizt", erzählt Lothar Bering, ein Deutscher, der in dem Dörfchen Goleen im Süden der Insel wohnt. "Man sagt zu etwas nicht Ja, das man nicht verstanden hat", betont Hugo Brady von der Londoner Denkfabrik Centre for European Reform. Wenigen ist es so wie Eric Peelo, einem jungen Mann aus Dublin, gegangen, der bekennt: "Ich habe Ja gestimmt, aber ich weiß eigentlich gar nicht warum."

Kein Wunder: Das fast 300 Seiten lange Vertragswerk ist alles andere als eine vergnügliche Abendlektüre. Der Taxi-Fahrer Dermot Doherty erklärt, er habe mit Nein gestimmt, weil er das Dokument schlichtweg nicht verstanden habe. "So einfach ist das. (...) Ich habe in meinem Job viele Menschen getroffen und alle haben dasselbe gesagt."

Brüssel diktiert von oben

Vor allem in der Arbeiterschicht und auf dem Land stießen die Argumente der Gegner offensichtlich auf fruchtbaren Boden. Viele haben auch das Gefühl, dass ihnen von den elitären Brüsseler Behörden etwas diktiert wird. "Irland soll von Iren und nicht von irgendeiner Behörde in einem anderen Land regiert werden", sagt Vertrags-Gegner Chris Brady. "Die EU ist zu einem Heißluftballon geworden, sie ist aus der Reichweite der normalen Menschen geflogen", meint Bauarbeiter Paul McGorian.

Das könnte nun der irische Geschäftsmann Declan Ganley ändern, der mit seiner Anti-Lissabon-Kampagne einer der lautesten Gegner war: Gerüchte zirkulierten bereits kurz nach Verkündung der Wahlergebnisse, dass seine Organisation Libertas eine neue Partei werden könnte.

Annette Reuther, dpa

Quelle: ntv.de

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