Rechtslage und Positionen Wenn der Patient verfügt
26.06.2008, 09:01 UhrIn den Fraktionen wird seit Jahren über eine Regelung zur Verbindlichkeit von Patientenverfügungen diskutiert. Gemeint sind damie Anweisungen an Ärzte zum Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen für den Fall, dass der Patient ohne Bewusstsein ist - sich also im Krankenhaus aktuell nicht zu einer Weiterbehandlung äußern kann. Ein Überblick über die Standpunkte:
Die Rechtslage
Bisher liegen nur Gerichtsurteile vor, die allerdings zum Teil unterschiedlich interpretiert werden. Der Bundesgerichtshof hat im März 2003 (Az.: XII ZB 2/03) und im Juni 2005 (Az.: XII ZR 177/03) entschieden, dass eine Patientenverfügung zum Behandlungsabbruch grundsätzlich zu beachten ist, wenn ein Patient "einwilligungsunfähig" ist, sich also aktuell nicht äußern kann. Zwei weitere Fragen sind zu unterscheiden.
Einschaltung des Vormundschaftsgerichts: Klar ist, dass eine Behandlung ohne Einschaltung des Gerichts abgebrochen werden kann, wenn der Betreuer dies aufgrund der Verfügung verlangt und der Arzt keine Behandlung mehr anbieten will. Nur in dem Fall, dass sie keinen Konsens finden, muss das Vormundschaftsgericht angerufen werden.
Reichweitenbegrenzung: Fraglich ist, ob eine Behandlung nur beendet werden darf, wenn die Krankheit bereits einen "irreversiblen tödlichen Verlauf angenommen" hat. Dafür spricht eine Passage aus dem Urteil von 2003. Es wird aber auch behauptet, dass der BGH sich lediglich missverständlich geäußert habe.
Der Antrag Stünker
Bereits vor einiger Zeit hat der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Joachim Stünker, einen Antrag vorgestellt, der Patientenverfügungen im Kern immer für verbindlich erklären würde. Für Stünker, der von rund 200 Abgeordneten unterstützt wird, steht das Selbstbestimmungsrecht der Patienten im Vordergrund.
"Zum Recht auf Selbstbestimmung gehört auch, Entscheidungen für die Zeit zu treffen, in der man etwa nach einem Unfall oder bei schwerer Krankheit nicht mehr entscheidungsfähig ist. Das Selbstbestimmungsrecht wäre entscheidend entwertet, wenn es Festlegungen für zukünftige Konfliktlagen, in denen der Patient nicht mehr entscheiden kann, nicht umfassen würde", heißt in seinem Antrag. Das bedeutet, dass ein Motorradfahrer für den Fall eines Komas nach einem Unfall das Abschalten des Beatmungsgeräts festlegen kann, wenn ihm beide Beine abgenommen werden müssten. Stünker will das Vormundschaftsgericht einschalten, wenn der Betreuer und der Arzt über die Auslegung einer Verfügung uneinig sind.
Die Gegenpositionen
Im Bundestag haben sich mehrere Gegenpositionen gebildet. Nach Ansicht der Abgeordneten Wolfgang Bosbach (CDU), Ren Röspel (SPD), Josef Winkler (Grüne) und Otto Fricke (FDP) kann einer Verfügung auch künftig nur gefolgt werden, wenn der Krankheitsverlauf unumkehrbar zum Tod führt. Sie treten für eine Reichweitenbeschränkung, also eine Einschränkung der Verbindlichkeit ein, wie sie auch aus der BGH-Rechtsprechung herausgelesen wird.
"Eine Verabsolutierung des Selbstbestimmungsrechts unter der Vernachlässigung der staatlichen Schutzpflicht für das Leben (...) - gegenüber Menschen, die nicht mehr einwilligungsfähig sind - lehnen wir ab", heißt es in einer Erklärung. Letztlich befürchten sie eine Verwischung der Grenze zur aktiven Sterbehilfe durch die Stünker-Position.
In einem Punkt gehen sie aber über den BGH hinaus. Auch wenn nicht klar ist, ob der Krankheitsverlauf unweigerlich zum Tode führt, soll eine Verfügung zum Behandlungsabbruch verbindlich sein, wenn sie den Fall eines dauerhaften Wachkomas miterfasst. Bei einem Dissens zwischen Arzt, Betreuer und sonstigen Angehörigen soll auch nach dieser Ansicht das Vormundschaftsgericht eingeschaltet werden.
Unabhängiges Urteil
Eine weitere Ansicht, die unter anderem vom CSU-Gesundheitsexperten Wolfgang ZÖLLER vertreten wird, geht in diesem Punkt wiederum weiter und macht immer die Einschaltung des Vormundschaftsgerichts zur Voraussetzung. Eine weitere Position nimmt Bundestagsvize-Präsidentin Katrin Göring Eckhardt (Grüne) ein. Sie schlägt die Stärkung eines unabhängigen Betreuers vor, der sich zwar an der Patientenverfügung orientieren soll, aber auch stark die Lebens- und Krankheitsumstände des Patienten zum Maßstab nehmen soll.
Quelle: ntv.de