Dossier

Alarmstimmung in Berlin Wer stoppt Sarkozy?

In Koalition und Opposition herrscht Alarmstimmung, wenn die Rede auf das deutsch-französische Verhältnis kommt. "Da muss sich noch einiges einpendeln", lautet der vorsichtige Kommentar in den Regierungsfraktionen zum Aktivismus des neuen französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy. Drastischer sagt es der FDP-Außenpolitiker Werner Hoyer: "Die Beziehungen haben sich dramatisch verschlechtert. Das ist schon mehr als nur eine Serie von Anfangsfehlern." Er drückt damit das allgemeine Unwohlsein aus.

Ob es die Kriegsdrohungen im Atom-Streit mit dem Iran sind, die Waffengeschäfte mit Libyen oder die wiederholten Vorstöße Sarkozys gegen die Unabhängigkeit der Währungspolitik: Es vergeht kaum eine Woche, ohne dass die Bundesregierung zu neuen Interpretations-Pirouetten gezwungen wird, um das deutsch-französische Verhältnis nicht nachhaltig zu beschädigen.

In den Bundestagsfraktionen reagiert man deutlicher. Sarkozys Vorschlag für einen neuen "Rat der Weisen" in der EU zur Ausarbeitung neuer Vorschläge für Strukturen und Grenzen der EU betrachtet man in den Fraktionen unverblümt als tot geborenes Kind. "Ein bindendes Votum wird es bei dem 'Rat der Weisen' in keinem Fall geben", sagt der CDU-Europaexperte Gunther Krichbaum.

"Einige Impulse" könne er sich vorstellen von einem solchen Gremium altgedienter EU-Kenner, dem auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zugestimmt hat. "Neue Strategien: Keinesfalls." Ähnlich sieht es die SPD-Europapolitikerin Angelica Schwall-Düren: "Als Ideen-Spender gerne, ... aber die eigentliche Arbeit muss in den EU-Gremien stattfinden, das ist viel dringender."

Mit unterschiedlichen Akzenten betrachtet man in den Koalitionsparteien dagegen die von Sarkozy angestoßene Debatte über die Rolle der französischen Atomwaffen in der EU. Für den Vorsitzenden des Europa-Ausschusses, Krichbaum, ist es durchaus eine offene Frage, wie damit umgegangen werden soll, wenn es eines Tages eine deutsch-französische oder gar eine EU-weite Armee geben wird. Dann müsse man auch über das Thema Nuklearbewaffnung reden.

Für die SPD-Politikerin Schwall-Düren ist dies dagegen überhaupt kein Thema. Eine EU-Armee mit Atomwaffen kann sie sich nicht vorstellen. "Das widerspricht der dezidierten Abrüstungsstrategie der EU diametral." Hinter den Avancen aus Paris und London für einen Platz Deutschlands unter dem "atomaren Schirm" vermutet die SPD-Fraktionsvize eher das Ansinnen, in Deutschland Gelder zur dringend nötigen Modernisierung des eigenen Atom-Arsenals locker zu machen.

Auf jeden Fall sind sich die parlamentarischen EU-Kenner in Berlin ziemlich sicher: Der früher viel gerühmte deutsch-französische "Motor" in der EU kann mit Sarkozy und Merkel in der alten Form nur schwerlich wiederbelebt werden. Krichbaum ist überzeugt, dass Merkel es darauf anlegen wird, viel stärker als ihr Vorgänger Gerhard Schröder (SPD) die kleineren EU-Länder "mitzunehmen".

Schwall-Düren kann sich gut vorstellen, dass die regelmäßigen deutsch-französischen Konsultationen, wie sie jüngst wieder in Meseberg stattfanden, künftig bei bestimmten Themen auch auf andere Partner ausgeweitet werden. Auch CDU-Mann Kirchbaum sagt: "Das darf kein exklusives Bündnis sein, sondern muss offen für alle sein."

Aus Sicht Hoyers ist jetzt zunächst Krisenmanagement im deutsch- französischen Verhältnis angesagt. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) müsse sich dringend um Schadensbegrenzung bemühen. "Wenn Sarkozy in Paris schon durchstechen lässt, dass ihm Merkel auf die Nerven geht, dann ist Eile geboten."

Von Frank Rafalski, dpa

Quelle: ntv.de

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