"Wenn die das so wollen" Westfale wird Dorfschulze in Polen
15.02.2007, 12:53 UhrDie Warnungen vor einem Ausverkauf an Ausländer, die in nationalistisch-populistischen Medien Polens gerne verbreitet werden, scheinen im oberschlesischen Dorf Zakrzow (Sakrau) bei Gogolin wenig Ängste zu schüren. Nach den Gemeindewahlen Ende Januar waren die rund 480 Einwohner von Zakrzow die ersten, die künftig einen Ausländer zum Soltys (Dorfschulzen) bekommen. Mit einer Stimme Mehrheit siegte der gebürtige Paderborner Siegmund Dransfeld über einen "Alteingesessenen" - und das ohne jeglichen Wahlkampf. "Das musste ich wohl gar nicht, weil mich hier alle kennen", schmunzelte der schnauzbärtige Westfale, der seit 1996 in Polen lebt.
Der gelernte Tischler erfüllte sich damals den Traum vom eigenen Betrieb, als er ein ehemaliges Staatsgut mit 440 Hektar Ackerland und einem großen Gebäudekomplex kaufte. "Am Anfang war Euphorie und die Vision einer wunderbaren Firma, dann kam der Schock", erinnert er sich heute. Denn als er den Zuschlag für das Gut erhielt, verpflichtete sich Dransfeld auch zur Verwaltung der dazugehörigen und mittlerweile baufälligen Wohnblöcke. Im Rückblick gesteht der Westfale mit niederschlesischen Wurzeln ein, dass er in den Anfangsjahren mehrmals daran dachte, alles hinzuwerfen und nach Deutschland zurückzukehren.
Doch Dransfeld blieb und biss sich durch. Die westfälische Beharrlichkeit imponierte offenbar auch seinen Nachbarn im Dorf, die ihn schließlich fragten, ob er nicht als Soltys kandidieren wolle. "Ich habe ein gutes Verhältnis zu den Nachbarn, wir sind hier gut integriert" erklärt Dransfeld, dessen westfälische Herkunft noch immer unüberhörbar ist, seinen Erfolg. "Ich sagte: Meine Güte, wenn die das so wollen, dann mach' ich das eben." Das Vertrauen zählt umso höher angesichts der historischen Umgebung - Dransfelds Gut liegt in der Nähe des St. Annabergs, der nach dem Ersten Weltkrieg Schauplatz blutiger Kämpfe zwischen deutschen und polnischen Nationalisten war.
Ein wenig mulmig ist dem Neu-Schulzen, der in Polen ein Daueraufenthaltsrecht bekommen hat, lediglich, wenn er sich die Reaktionen bei der Bezirksregierung vorstellt. Dort werde man sich womöglich über seinen ungewöhnlichen Namen oder sein schlechtes Polnisch wundern, meinte Dransfeld. Doch in der Region Oppeln (Opole) sind deutsche Namen nicht ungewöhnlich, hier ist das Zentrum der deutschen Minderheit Polens. Auch in der Gemeinde Gogolin stellt die Minderheit zahlreiche Vertreter im Rat, so dass zumindest die sprachliche Verständigung für den ehrenamtlichen Dorfbürgermeister Dransfeld kein Problem sein dürfte.
Dransfeld, der als wohl erster ausländischer Soltys Polens ein Beispiel für gelungene Integration sein dürfte, ist nach den Zweifeln der ersten Jahre entschlossen, zu bleiben. "Wir wollen hier unsere Zukunft aufbauen", betont er. "Ich werde immer Westfale bleiben, aber hier ist unsere neue Heimat." Seine beiden ältesten Söhne studieren in Polen, der jüngste besucht das örtliche Gymnasium.
Angst, dass seine Existenz angesichts der Diskussion um Alteigentümer gefährdet werden könnte, hat Dransfeld nicht - das Verhältnis zu dem Alteigentümer des einstigen deutschen Gutes sei gut. Doch Verständnis für die Ängste vieler Polen angesichts der Entschädigungsklagen der Preußischen Treuhand hat der neue Soltys: "Dieses Land ist genug hin- und hergerüttelt worden. Man soll die Leute hier in Ruhe lassen."
(Eva Krafczyk, dpa)
Quelle: ntv.de