Dossier

Familien und Kitas "Wie bei den Autobahnen"

Mehr Geld für Familien oder für mehr Kita-Plätze? Der familienpolitische Sprecher der Unionsfraktion will beides. "Wenn ein Bauprogramm für den Lückenschluss bei Bundesautobahnen aufgelegt wird, denkt ja auch kein Mensch daran, die Kosten durch Streichungen beim Ausbau des Bahnnetzes zu finanzieren", sagt Johannes Singhammer im Gespräch mit n-tv.de. Familien sollen finanziell besser gestellt werden - dabei gehe es nicht darum, den Kinderlosen etwas wegzunehmen.

n-tv.de: Herr Singhammer, Sie fordern, Kinderlosigkeit dürfe künftig nicht mehr mit wirtschaftlichen Vorteilen belohnt werden. Ist es nicht Privatsache der Bürger, ob sie Kinder haben oder nicht?

Johannes Singhammer: Sie kennen den Spruch, der Konrad Adenauer zugeschrieben wird: Kinder kriegen die Leute immer. Leider stimmt diese Weisheit nicht mehr. Daher ist es eine politische Aufgabe zu prüfen, wie man die Rahmenbedingungen so beeinflussen kann, dass sich wieder mehr Paare für Kinder entscheiden.

Sie werden mit der Forderung nach höheren Rentenbeiträgen für Kinderlose zitiert. Ist es nicht ungerecht, Paare ohne Kinder zu bestrafen?

Diese Forderung haben wir nirgends erhoben, auch in unseren internen Überlegungen nicht. Wenn ich den entscheidenden Satz aus unserem Strategiepapier mal vorlesen darf: Uns geht es darum, "den Beitrag von Kindern für den Generationenvertrag künftig anders und besser zu bewerten". Es geht um eine Besserstellung der Familien, die Kinder erziehen - nicht darum, jemandem etwas wegzunehmen.

Woher soll das Geld für diese Besserstellung kommen?

Diese Frage wird natürlich immer wieder gestellt. Ich darf daran erinnern, dass alle öffentlichen Haushalte durch den Geburtenrückgang entlastet werden. 1990 hatten wir in Deutschland noch mehr als 900.000 Geburten. Im vergangenen Jahr waren es nur noch rund 670.000. Das Deutsche Jugendinstitut hat eine interessante Zahl ermittelt: Durch den Geburtenrückgang werden allein die Kommunen in Deutschland bis 2010 bei der vorschulischen Kinderbetreuung 3,6 Milliarden Euro einsparen. Dieses Geld darf nicht in die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte gesteckt werden. Bei den familienpolitischen Ausgaben müssen wir mindestens auf dem aktuellen Niveau bleiben. Damit ergibt sich dann auch finanzieller Spielraum.

In ihrem Strategiepapier fordern Sie eine "Komplettrenovierung" der staatlichen Familienförderung. Worum geht es dabei?

Derzeit sind die Leistungen der Familienförderung stark zersplittert. Insgesamt gibt es 145, die für sich selbst alle ihre Berechtigung haben mögen, die aber in der Summe zu einem hohen Maß an Unübersichtlichkeit geführt haben. Wir werden all diese Leistungen auf ihre Effizienz hin überprüfen. In einem zweiten Schritt wollen wir die Leistungen dann bündeln und so für Transparenz sorgen.

Steht auch das Elterngeld zur Disposition?

Nein. Das Elterngeld haben wir gerade erst erfolgreich installiert. Das wird nicht mehr abgeschafft.

Sie haben die 3,6 Milliarden Euro angesprochen, die bis 2010 im Bereich der Kinderbetreuung freiwerden. Das Geld kann ja nur einmal ausgegeben werden: Geben Sie es den Familien oder stecken Sie es in die Kitas und Schulen?

Wir brauchen es in beiden Bereichen. Das Kindergeld darf nicht gegen Betreuungskapazitäten ausgespielt werden. Also keine Selbstfinanzierung, keine Umschichtung von Leistungen; insgesamt muss es mehr sein. Für uns als Union ist immer die Wahlfreiheit wichtig gewesen. Die Familien müssen selbst entscheiden, ob sie ihre Kinder außer Haus betreuen lassen oder im klassischen Familienmodell selbst betreuen. Der Staat darf nicht versuchen, die Familien durch finanzielle Anreize zu einer bestimmten Entscheidung zu drängen. Das heißt aber auch, dass wir beide Arten der Förderung brauchen. Vor allem in den Großstädten brauchen wir die Sicherheit - und ich sage auch: die Garantie -, dass Familien einen Krippenplatz bekommen, wenn sie ihn brauchen. Da muss was geschehen, das ist unbestritten.

Einen Krippenplatz - ab wie viel Jahren?

Dann, wenn es notwendig ist. Gerade in den Großstädten ist der Idealfall, dass Großeltern auf den Nachwuchs aufpassen, eher selten. Das wird übrigens auch in den ländlichen Regionen zunehmend schwieriger werden. Die erste finanzwirksame Entscheidung dieser Bundesregierung war, den Freibetrag für die Kinderbetreuung zu erhöhen. Künftig kann wesentlich mehr, nämlich bis zu 4.000 Euro netto im Jahr, abgesetzt werden pro Kind, und zwar unabhängig davon, ob man eine Betreuung selbst organisiert oder eine vorhandene Betreuungseinrichtung in Anspruch nimmt. Dadurch haben wir die Wahlfreiheit verbessert.

Müssten Sie nicht eigentlich argumentieren, dass eine Familie, die eine Betreuungseinrichtung in Anspruch nimmt, weniger absetzen kann? Denn die verursachen ja höhere Kosten.

Ich denke, dass es da keine unterschiedlichen Rangordnungen geben darf. In den letzten Jahren haben sich die Kindergärten stark von reinen Betreuungs- zu Bildungseinrichtungen gewandelt. Auch für die klassische Familie, in der die Mutter eine gewisse Zeit auf Berufstätigkeit verzichtet, ist diese Bildungseinrichtung - zumindest im letzten Jahr vor der Einschulung - sehr wichtig.

Spielt bei der "Komplettrenovierung" der staatlichen Familienförderung, die Sie sich vorgenommen haben, auch das Ehegattensplitting eine Rolle?

Ich halte nichts von einer Abschaffung des Ehegattensplittings. Es gibt zwei entscheidende Gründe. Zum einen die Konsequenzen, die eine Abschaffung für Frauen mit sich brächte, die jetzt kurz vor der Rente stehen. Es wäre in höchstem Maße ungerecht, diesen Frauen jetzt diesen finanziellen Vorteil zu nehmen, denn die können ja ihre Lebensbiographie nicht mehr korrigieren. Zweitens wäre auch dies eine Selbstfinanzierung im geschlossenen Kreislauf, also eine reine Umschichtung im Rahmen dessen, was für Ehen und Familien zur Verfügung gestellt wird. Wenn ein Bauprogramm für den Lückenschluss bei Bundesautobahnen aufgelegt wird, denkt ja auch kein Mensch daran, die Kosten durch Streichungen beim Ausbau des Bahnnetzes zu finanzieren. Im Gegenteil: Völlig zu Recht werden zusätzliche Mittel dafür verwandt. Genau so sollte es auch in der Familienpolitik sein.

(Die Fragen stellte Hubertus Volmer)

Quelle: ntv.de

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