Frankreichs schmerzfreie Klima-Steuer Wie eine "Ozonschicht mit Löchern"
29.12.2009, 11:52 Uhr
Die Stromwirtschaft wird nicht besteuert: Sarkozy verweist darauf, dass Frankreich seine Elektrizität zu drei Vierteln in Atomkraftwerken herstellt.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Eine grüne "Revolution" will Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy in Gang setzen und Vorreiter in Sachen Klimaschutz in Europa werden. Am 1. Januar führt seine Regierung eine Umweltsteuer ein, die sich nach dem CO2-Ausstoß bemisst. Kritiker bemängeln, dass sie zu viele Ausnahmen aufweist und viel zu niedrig angesetzt ist, um wirklich dem Umweltschutz zu dienen. Und weil sie "schmerzfrei" sein soll, bekommen die Franzosen das Geld auf anderem Wege auch wieder zurück.
Die Klimasteuer solle dazu führen, dass die Franzosen ihr Verhalten "dauerhaft umstellen", sagte Sarkozy bei ihrer Ankündigung im September. Sie solle zum Ziel beitragen, Frankreichs Ausstoß an Treibhausgasen bis 2050 auf Basis des Jahres 1990 auf ein Viertel zu senken. Im Unterschied zur deutschen Ökosteuer setzt die französische Abgabe tatsächlich am Kohlendioxid-Ausstoß an. Sarkozy legte sie auf 17 Euro pro Tonne CO2 fest. Dadurch wird ab Januar Heizöl und Diesel um 4,5 Cent teurer, Benzin um vier Cent und die Kilowattstunde Gas um 0,4 Cent. Der Staat rechnet dadurch im kommenden Jahr mit Einnahmen von 4,1 Milliarden Euro.
Kein Zeitplan für die Anhebung
Für Frankreichs Grüne fällt die Steuer aber zu gering aus. "Wir sind praktisch sicher, dass sie unwirksam bleibt", kritisiert der Parlamentsabgeordnete Yves Cochet. Wegen der Steuer würden die Franzosen kaum ihr Verhalten ändern. Denn vier Cent pro Liter Benzin sei "nicht einmal der Preisunterschied zwischen zwei Markentankstellen in derselben Region".

Ein Expertenausschuss der Regierung hatte doppelt so viel Steuer gefordert. Sarkozy legte 17 Euro pro Tonne CO2 fest.
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Tatsächlich hat auch ein monatelang tagender Expertenausschuss der Regierung fast doppelt so viel, nämlich 32 Euro pro Tonne CO2, empfohlen. Für Sarkozy war das aber "in Krisenzeiten eine zu hohe Summe". Er verweist darauf, dass die Steuer über die Jahre steigen solle - mit dem Fernziel von 100 Euro pro Tonne im Jahr 2030. Auf einen Zeitplan für die Anhebung will sich der Präsident aber nicht festlegen.
Damit die Franzosen die Steuerpille mitten in der Wirtschaftskrise ohne Proteste schlucken, hat der Präsident eine vollständige Rückzahlung versprochen. "Die Einführung der CO2-Steuer erfolgt, ohne die Kaufkraft der Franzosen und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Firmen zu schädigen", sagte er. Privatleute bekommen sie auf die Einkommenssteuer angerechnet oder erhalten - bei zu geringem Verdienst - das Geld über "grüne Schecks" vom Staat zurück. Die Unternehmen sollen derweil im Rahmen der Abschaffung der Gewerbesteuer entlastet werden.
Stromwirtschaft nicht besteuert
Ignoriert hat Sarkozy gleichfalls die Forderung von Opposition und Experten, auch die Stromwirtschaft zu besteuern. Er verweist darauf, dass Frankreich seine Elektrizität zu drei Vierteln in Atomkraftwerken ohne direkten CO2-Ausstoß herstellt. "Wenn die CO2-Steuer die Treibhausgase verringern soll, muss man auch Strom besteuern", kritisiert der Sozialist Christophe Caresche. "Denn ein Teil der Energieproduktion erfolgt in Kohle- und Gaskraftwerken und erzeugt CO2."
Andere Wirtschaftszweige wie Bauern, Flussschiffer und Spediteure haben nach teils lautstarken Protesten derweil zumindest Nachlässe auf die Steuern durchgesetzt. Der Senat nahm in letzter Minute auch noch Privatleute aus, die direkt zuhause mit Kohle heizen - "normalerweise alte und bescheiden lebende" Menschen, wie es hieß. Damit gleiche die Steuer inzwischen "einer Ozonschicht mit Löchern überall", sagte der grüne Senator Jean Desessard. Und weil trotz Rückerstattung "CO2-Steuer" vor den Regionalwahlen im März nicht so schön klingt, tauften die Senatoren von der Regierungspartei UMP sie auch noch gleich in "CO2-Beitrag" um.
Quelle: ntv.de, Martin Trauth, AFP