Malteser-Hilfe in Birma "Wir müssen ins Irrawady-Delta"
07.05.2008, 12:39 UhrDie Regierung von Birma tut zu wenig, um den Hilfsorganisationen ihre Arbeit vor Ort zu ermöglichen. Roland Hansen von den Maltesern kritisiert im Gespräch mit n-tv.de, dass Helfer nicht die am stärksten betroffene Region, ins Irrawady-Flussdelta, gelassen werden.
n-tv.de: Trotz der Katastrophe scheint die Regierung von Birma nicht besonders kooperativ zu sein. Wie ist die Arbeit für Ihre Kollegen in Birma? Wie weit können die sich bewegen?
Roland Hansen: Wir sind noch in der relativ glücklichen Position, dass Malteser International schon seit 2001 in Myanmar ist, unter anderem auch in der betroffenen Region um die ehemalige Hauptstadt Rangun. Momentan sind da zwei medizinische Teams unterwegs, die zum einen Soforthilfe leisten, gleichzeitig aber eine Bestandserhebung vornehmen, welche Schäden genau aufgetreten sind. Eigentlich wollten wir am Montag unsere internationalen Mitarbeiter aus Rangun in andere Regionen schicken. Denen sind aber die Genehmigungen wieder entzogen worden. Wir würden gerne in die am stärksten betroffene Region, ins Irrawady-Flussdelta fahren. Da kommt derzeit keine Hilfsorganisation rein.
Es heißt, Hilfsorganisationen, die das Militärregime kritisieren, riskierten, aus dem Land geworfen zu werden. Wie gehen Sie mit dieser Situation um?
Das ist vollkommen richtig. Wir gehen da arbeitsteilig vor, das ist abgestimmt mit anderen Hilfsorganisationen in Deutschland: Wir als humanitäre Organisation konzentrieren uns auf unser Handwerk, um eben nicht Gefahr zu laufen, durch bestimmte Äußerungen politischer Natur keine Genehmigungen mehr zu bekommen. Mit Blick auf die aktuelle Situation würde ich sagen, dass diese Arbeitsteilung wirklich gut funktioniert. Es scheint jedenfalls keinen Mangel an kritischer Berichterstattung zu geben.
Wie dramatisch ist die Lage vor Ort? In Berichten ist von Leichenbergen die Rede, die noch immer in den Straßen liegen sollen. Auf Fotos und in den Fernsehberichten des Staatsfernsehens sieht man solche Bilder nicht.
Auch wir sehen solche Bilder nicht, denn unsere internationalen Mitarbeiter, die auch Fotos machen, sind ja nur in Rangun. Dort sind die Straßen inzwischen geräumt. Die Wasserversorgung ist allerdings nach wie vor unterbrochen, die Leute bekommen nur an wenigen Stellen Trinkwasser. Das ist im Augenblick das Hauptproblem. Die Leichen sind im Wesentlichen im Irrawady-Delta, und da kommen wir nicht hin. Das ist genau das Problem. Um dort Hilfe leisten zu können, müssen so schnell wie möglich die permits, die Genehmigungen erteilt werden.
Haben Sie da Hoffnungen?
Ich habe eine gewisse Hoffnung, und zwar aus der Erfahrung nach dem Tsunami. Auch die indonesische Regierung wollte anfangs keine Helfer nach Aceh lassen. Ganz plötzlich kam die Öffnung, und die ganzen Organisationen, zuvorderst natürlich die UN, durften rein. Letzten Endes hat die Katastrophe sogar dazu beigetragen, dass Friedensverhandlungen geführt wurden und man heute von einer befriedeten Region Aceh sprechen kann.
Die burmesische Exilregierung sagt, Soldaten hätten am Flughafen von Rangun Hilfslieferungen umgepackt, um den Anschein zu erwecken, dass die Rationen von der Regierung selbst kamen. Können Sie das bestätigen?
Ich kann mir vorstellen, dass sich das auf Lieferungen bezieht, die von der thailändischen Regierung, genauer gesagt: von den thailändischen Militärs nach Birma gebracht wurden, und dass das im Einverständnis mit den Thailändern passiert ist. Ich glaube nicht, dass man das mit Lieferungen der UN oder von Nichtregierungsorganisationen machen würde. Wir selbst hatten diesbezüglich noch keine Probleme, und ich hoffe nicht, dass so etwas kommt. Das wäre nicht die feine Art.
Organisieren Sie die Lieferung von Hilfsgütern?
Wir haben glücklicherweise noch Vorräte, zudem haben wir von der Organisation Ärzte ohne Grenzen einen größeren Posten übernommen. Jetzt sind wir dabei, das zu verteilen. Danach sind wir angewiesen auf die Lieferungen der UN, denn momentan ist es für Nichtregierungsorganisation unmöglich, Hilfsgüter ins Land zu bringen. Entkeimungstabletten, die jetzt sehr wichtig sind, haben wir vor Ort in Auftrag gegeben, die können auch in Rangun produziert werden. Die werden demnächst geliefert.
Wie arbeiten Sie normalerweise in Birma, wenn gerade keine größere Katastrophe war?
Wir sind in zwei Sektoren aktiv: Basisgesundheitsversorgung mit dem Schwerpunkt Seuchen - Malaria, HIV und Tuberkulose, die sehr weit verbreitet ist. Den zweiten Sektor nennen wir WASH, Water, Sanitation and Hygiene. Wir bauen gemeinsam mit der Bevölkerung Latrinen auf dem Land, um die Hygienebedingungen zu verbessern. Viele Kinder unter fünf Jahren sterben an Durchfallerkrankungen aufgrund von sehr schlechter Wasserversorgung und schlechten hygienischen Verhältnissen.
Arbeiten Sie in Krankenhäusern?
Wir bauen zum Teil kleine ländliche Krankenhäuser und Gesundheitsstationen, wir statten diese auch mit großen Regenwassertanks mit Kapazitäten von 22.000 Litern aus, wir bauen Schulen, bauen auch Latrinen an die Schulen. Im Moment hoffen wir, dass diese Schulen den Flüchtlingen Obdach bieten können, deren Hütten - wir sprechen hier von einfachsten Wellblechhütten - zusammengefallen sind. Insofern sind wir froh, dass wir schon eine gewisse Infrastruktur aufgebaut haben.
Haben Sie vor Ort vor allem ausländische oder einheimische Mitarbeiter?
Wir haben insgesamt in Myanmar 160 lokale und 13 internationale Mitarbeiter. In der Region um Rangun sind es 35 lokale und zwei internationale. Die anderen sind in den Grenzgebieten aktiv, wo die Minderheiten leben, die grundsätzlich in einer ganz miserablen Situation sind, die nicht nur arm sind, sondern auch gesundheitlich schlecht versorgt. Es gibt riesige Gebiete, wo es keine Gesundheitsstationen und keine Ärzte gibt. Dort leisten wir Hilfe, indem wir Dorffreiwillige in Erster Hilfe ausbilden und ständig weiterbilden.
Birma ist ja ein extrem abgeschottetes Land. Wie sind Sie 2001 da reingekommen?
Es hat lange gedauert, ein bis zwei Jahre. Die Regierung nimmt nur ungern neue internationale Hilfsorganisationen auf. Wir haben eine philippinische Ärztin eingeschaltet, die gute Kontakte zum Gesundheitsministerium hatte, die hat uns sehr geholfen, und ganz langsam haben wir das Vertrauen der Regierung gewonnen. Es hat auch lange gedauert, bis wir in weitere Regionen durften: Anfangs durften wir nur in eine Region, inzwischen sind wir in dreien. Wir hoffen, dass wir in weitere Regionen reingehen dürfen, insbesondere an der Grenze zu Thailand, wo wir auf thailändischer Seite in zwei großen Lagern 33.000 Flüchtlinge aus Myanmar betreuen. Wir würden sehr gern an der Grenze auf der Seite in Myanmar dafür Sorge tragen, dass nicht noch mehr Leute fliehen müssen, denn sie fliehen zum Teil auch aufgrund von medizinischer Unterversorgung. Wir behandeln in unseren Kliniken in Thailand entlang der Grenze viele schreckliche Fälle, die in Myanmar überhaupt nicht versorgt werden könnten. Die wären dort zum Tode verurteilt.
Mit Roland Hansen sprach Hubertus Volmer
Quelle: ntv.de